Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Die Band mit dem Video, wo die Frau die Straße runtergeht.

Von Onkel Rosebud

In dieser Folge wollen wir Abschied nehmen von der Großartigkeit des Klangkörpers Massive Attack. Die sind natürlich kein Phil Collins, den man immer gnadenlos damit konfrontieren muss, sich endlich um seinen Garten zu kümmern, statt zu singen und Musik herzustellen. Ich muss jedoch vorausschicken: Ich war richtiger Fan von Massive Attack. Ich besitze alle Singles. Elf Stück! Und alle Platten natürlich auch. Das kann ich sonst nur noch von einer Überband vorweisen, deren Namen jetzt hier nicht hingehört.

Und nun möchte ich mich also verabschieden von Robert Del Naja, Grant Marshall, Horace Andy, 3D und Herrn Vowles. Wie der mit dem Vornamen heißt, weiß ich nicht. Ist jetzt eh egal. Der Schmerz sitzt tief. Und ein Tschüss möchte ich auch Sinéad O’Connor zurufen. Sogar ein gegerbtes, wo sich selbst meine Tastatur sträubt, das hinzuschreiben. Das Wort ist mindestens so eklig, wie die Bezeichnung „Mugge“ für ein Konzert. Wer das sagt, dem sollen überall eitrige Hauttaschen wachsen. Anyway, die Wunderträne macht nämlich auch mit auf dem neuesten Tonträger; beziehungsweise sie darf irgendwie singvogeln. Ein Umstand, den ich nicht nachvollziehen kann. Die Platte heißt übrigens „100th Window“ und ist Scheiße. Richtig scheiße! Mal ehrlich, dass es nicht einfach wird, die Seele und Erhabenheit des Mysteriums „Blue Lines“ zu halten, haben schon die Nachfolger „Protection“ und „Mezzanine“ gezeigt. Aber sie hielten das Niveau. Massive Attack gelang es damals 1990, etwas nie zuvor gehört es zu schaffen. Einen Traum wahrwerden zu lassen, bei dem man nicht einmal stehen muss. Sie haben Trip Hop erfunden und die Musikgeschichte für die Horizontale verändert. Mir ist auch klar, dass man nicht jeden Tag einen Song wie „Unfinished Sympathy“ hinkriegt. Und das Video dazu erst! Zu den Glanzpunkten meiner Karriere als Schallplattenunterhalter in dieser Stadt zählt die Episode, wie ich mal ein schönes Fräulein, welches heute meine Freundin ist, dadurch beeindruckte, dass ich wusste, wovon sie überhaupt redet, als sie mich fragte: „Kannst du mal das Lied von dem Video spielen, wo die Frau die Straße runter geht?“

Und Massive Attack 2003? Nach fünf Jahren Pause (!) ist eine schleimige Keyboardsauce herausgekommen. Die immer gleiche Erfolgsformel im Songwriting zum Erbrechen ausgewalzt. Jeder Akkord ist schon mal da gewesen. Alles alter Mist! Nicht ein einziger guter Song, dafür alle zwischen 6 und 8 Minuten lang. So spannend wie ein Kachelofen im Sommer. Blanke Hirnwichse! Eine Beleidigung, die vor Langeweile strotzt. „Schert euch in den Garten. Zum Jäten mit Onkel Phil.“ Wutschnaubend,

Onkel Rosebud

P.S.: Dieser Text erschien erstmals am 9. April 2003 in ad-rem, Jahrgang 15, Nummer 7.