Von Matthias Bosenick (26.06.2025)
Konventionen sind für Anfänger, und weil das so ist, bricht die Band Trainer gleich mal mit so ziemlich allen, die ihr einfallen. Als erstes verzichten Trainer auf Bass und haben stattdessen zwei Gitarren. Als zweites verzichten sie auf herkömmliche Songstrukturen, als drittes auf Gefälligkeit und als viertes muss auch nicht jeder Ton akkurat und sauber sitzen, um als Ganzes ansprechende und gelungene Musik zu ergeben: Was die vier Saarbrückener hier machen, startet irgendwo im Noiserock und endet noch längst nicht im No Wave. Und bleibt dabei dennoch zugänglich. „Oh, Mandy!“, das zweite Album des Quartetts, kommt im August, die Single „Mammoth“ ist bereits zu hören. Mit Barry Manilow hat dieses Album aber nichts am Hut, gottlob.
Auch das ist natürlich ein Fingerzeig in falsche Richtungen, einen Albumtitel zu wählen, der bereits belegt ist, und dann auch noch mit dem größtmöglichen Aufgebot an Kitsch. Beinahe könnte man annehmen, das Intro mit dem Polnischen Titel „Powietrze“, „Luft“, greife diese Richtung auf, handelt es sich doch um ein stilles Klavierstück. Also noch ein Bruch mit Konventionen, wenn man aufgrund der Infolage eigentlich Noise erwartet. Der kommt dann danach, und zwar nicht zu knapp.
Es scheint, als befeuere die Wahl, auf den Bass zu verzichten, die Noisehaftigkeit der Musik noch: Es fehlt hier das Sounddichte-Fundament, das Soundbild ist trocken, spröde, aufgekratzt, rauh, starrsinnig, unangepasst, dafür angepisst. Zudem baut die Band geile Effekte in die Songs ein, an die der Geist sich gern klammert und die den energetischen Lärmbrocken etwas Wiedererkennbares verleihen. Dazu gehört auch, dass die Band es sich bisweilen herausnimmt, in einzelnen Momenten darauf zu verzichten, akkurat zu sein; da kommt etwa mal eine schräge Note ins Spiel, die das Aufgekratzte noch verstärkt. Auch greifen Trainer gelegentlich auf ein Stilmittel zurück, das man im Noiserock und im No Wave gern verwendet, und zwar die Wiederholung: Ausgewählte Sequenzen bekommen einen Loop-Charakter und schüren das aggressive Potential der Musik.
Eine weitere Spezialität der Band ist der zweistimmig vorgetragene – nun: Gesang, kombiniert mit Geschrei. Dieses mehrstimmige Shouten erinnert bisweilen an das Debüt „Knee“ von Düreforsög, nur dass die Musik hier nicht so chaotisch und metallisch ist. Obschon sie einen metallischen Sound hat, aber an Metal erinnert sie keineswegs. Wie auch immer der Band das gelingt, aber das gibt sie nicht preis, denn ein Song sagt: „Ona što go pravime e tajno“, auf Kroatisch: „Was wir tun, ist geheim“. Naja, in „Variations On A Theme By Harry Pussy“ beziehen sie sich auf die Neunziger-Noiserock-Band aus Miami, so transparent sind sie dann doch.
Auch Trainer wissen, dass konstant auf die Fresse ermüdet, deshalb senken sie in „The Chinese Fiancée“ den Mittelteil zu einem langsamen Burner ab. Auf das Gedimmte greifen sie in der Folge des Albums häufiger zurück, etwa in „Jesús Chabrol Guitar“, wer auch immer das ist; das Stück ist zwar auch eher langsam, aber kaum weniger brachial. Slow und dunkel kommt „I Would Have Said ‚Fuck You!‘“ daher und geht noch zum Schluss hin genug auf die Fresse, auch ohne schneller zu werden. Zwischendurch gibt’s noch fünf Sekunden Schabernack mit „National Pride“, dann kehrt spätestens mit „Plattenbau“ das Tempo zurück, der Song ist ein treibender Punk’n’Roll. Als Rauswerfer gibt’s mit „El Luchador Nihilista“ einen Link zum Cover, auf dem ein mexikanischer Wrestler vor nihilistischer Kulisse selbstversunken neben einer Topfpflanze herumsitzt.
Trainer sind Sänger Dietmar „Diede“ Bottler, Schlagzeuger Stephan „Fabsman“ Philipp sowie die beiden Gitarristen Martin Schad und Christoph Duymel, von denen ersterer zusätzlichen Noise hinzufügt und letzterer das Geschrei. Jener spielte zuvor bei der Band Nerven, später Ex Nerven, also nicht bei Die Nerven. Bottler war bei Zesura, Schad war bei Chandler und der unter diversen Aliassen auftretende Philipp bei zahllosen Bands dabei, wie Steakknife oder 2 Bad, oder auch Crewmitglied bei den Spermbirds. Eine Menge Erfahrung, die mit Trainer bestens zum Ausbruch kommt.