The Wedding Present & Friends – Not From Where I’m Standing – Come Play With Me 2020

Von Matthias Bosenick (01.02.2021)

Die meisten dieser Lieder leben sogar mehr als zweimal: David Lewis Gedge, seines Zeichens Bandchef der dem Covern gegenüber ohnehin schon immer sehr aufgeschlossenen englischen Indie-Helden The Wedding Present, schart eine Schar Freunde um sich, um mit ihnen eine auserlesene Auswahl an Titelmelodien des Kino-Franchises „James Bond“ neu einzuspielen, und zwar für den nicht minder legendären Guten Zweck. Die gute Nachricht: Den meisten der Originale entnehmen Gedges Freunde den Pathos und das Drama, man kann die 20 Lieder einfach als schöne Indierockcompilation mit latentem Erinnerungsfaktor durchhören. Den Vergleich mit den charakterstarken Originalen der Sechziger und Siebziger hat man latent im Ohr, insbesondere deren gesangliche Qualität ist dabei unerreicht.

Der Zählende weiß: Es fehlen fünf. Der genauer Guckende weiß: Es fehlen sogar mehr, schließlich sind mit „Mr Kiss Kiss Bang Bang“ und „We Have All The Time In The World“ zwei Songs zwar aus Bond-Filmen dabei, die aber keine offiziellen Titelsongs sind. Zu nicht jedem Song auf dieser Sammlung hat man überhaupt das Original im Ohr, teilweise, weil es einem nicht so vertraut ist wie manch anderer Titelsong, teilweise auch, weil das Cover hier sich erheblich vom Vertrauten unterscheidet., und das nicht nur deshalb, weil hier bisweilen singend Covernder und Gecoverter vertauschte Geschlechter haben.

Grundsätzlich bekommt man hier musikalisch, was man erwartet, wenn man The Wedding Present und deren Freunde so kennt, also leicht schrammeligen Indierock mit enormem Pop-Einschlag, minimalistischen Gitarren-Twang, dazu aber auch Swingpop, Acapella, Electropo sowie ein einzelnes eher nerviges Electro-Experiment von Minitel. Die meisten Band- oder Sängernamen indes kennt man eher nicht. Charles Layton war bei den Britpoppern Art Brut, die Popband Klee hätte heute in Deutschland trotz ihrer Nullerhits niemand mehr auf dem Zettel gehabt, hier liefern sie einen atmosphärischen wunderschönen Synthiepopsong, mit Sleeper ist eine auch hörbar dort verankerte Britpopband der Neunziger dabei, Such Small Hands ist das Alias von Melanie Howard, die auch bei Cinerama und The Wedding Present mitspielte, wie überhaupt viele gegenwärtige und ehemalige Bandbegleiter Gedges hier solo auftreten, darunter Shaun Charman gleich zweimal, nämlich auch mit der Band Jetstream Pony.

Zu rechnen war natürlich mit Cinerama und The Ukrainians, und beide sind auch dabei; erstere rauben „Diamonds Are Forever“ den Groove und machen das großartige Original recht gleichförmig, letztere machen aus Madonnas „Die Another Day“ eine typisch mehrstimmige ukrainische Rock-Folklore-Tanznummer, ganz klar besser als das Original. Bei den Originalen muss man ohnehin feststellen, dass sie in den zurückliegenden 30 Jahren qualitativ gegen die der ersten 30 Jahre nicht standhalten können; was Wunder: Bis 1987 war John Barry an zwei Dritteln aller Kompositionen beteiligt, auch an denen etwa von Duran Duran und a-ha, seine Lieder trafen den Geist der Serie perfekt, und einfach nur irgendein Popsong nach jeweils aktuellem Strickmuster macht noch kein Bond-Stück.

Somit verlegen sich auch die Coverer auf die älteren Songs, nach denen die neuen Versionen indes zumeist gar nicht klingen. Den Bond-Geist nämlich übernehmen die Covernden nur selten, der Pathos und die große Geste fehlen weitgehend, in Einzelfällen sogar der klassische Groove. Die stimmliche Inbrunst von Leuten wie Nancy Sinatra, Tom Jones oder Shirley Bassey erreicht von den Nachahmern sowieso niemand, also unterlassen sie es gleich, auch deren Stil zu kopieren. So reduzieren die Beitragenden hier die Bond-Songs auf das, was sie sind: Songs, dargeboten im eigenen Sound, der die Nummern sicherlich trotz ihrer Qualität so gut wie nie in die Sphären getragen hätte, in denen sich die Originale auch aufgrund ihres cineastischen und kulturhistorischen Kontextes aufhalten. Und wenn man das Originale „James Bond Theme“ schon zum drölften mal covert, dann gern so fuzzy wie The Sleazoids zum Eingang dieses Albums.

Der Anlass für dieses Album ist übrigens ein karitativer: Der Erlös geht an CALM, die Campaign Against Living Miserably, eine Organisation zur persönlichen Krisenhilfe. Den Titel dazu entliehen The Wedding Present übrigens der B-Seite ihrer Single „Why Are You Being So Reasonable Now?“ aus dem Jahr 1988.

Trackliste:

01 The Sleazoids – James Bond Theme (Original: John Barry & Orchestra (Monty Norman & John Barry), aus „007 jagt Dr. No“, 1962)
02 The Wedding Present – You Only Live Twice (Original: Nancy Sinatra (John Barry & Leslie Bricusse), aus „Man lebt nur zweimal“, 1967)
03 Simone White – Goldfinger (Original: Shirley Bassey (John Barry, Leslie Bricusse & Anthony Newley), aus „Goldfinger“, 1964)
04 Follow The Moths – Goldeneye (Original: Tina Turner (Bono & The Edge), aus „GoldenEye“, 1995)
05 Jetstream Pony – The Man With The Golden Gun (Original: Lulu (John Barry & Don Black), aus „Der Mann mit dem goldenen Colt“, 1974)
06 The Donalds – Live And Let Die (Original: Paul McCartney & Wings (Paul & Linda McCartney), aus „Leben und sterben lassen“, 1973)
07 Maria Scaroni – The World Is Not Enough (Original: Garbage (David Arnold & Don Black), aus „Die Welt ist nicht genug“, 1999)
08 Cinerama – Diamonds Are Forever (Original: Shirley Bassey (John Barry & Don Black), aus „Diamantenfieber“, 1971)
09 Danielle Wadey & Charles Layton – Tomorrow Never Dies (Original: Sheryl Crow (Sheryl Crow & Mitchell Froom), aus „Der Morgen stirbt nie“, 1997)
10 Minitel – All Time High (Original: Rita Coolidge (John Barry, Tim Rice & Stephen Short), aus „Octopussy“, 1983)
11 Samuel Beer-Pearce – Nobody Does It Better (Original: Carly Simon (Marvin Hamlisch & Carole Bayer Sager), aus „Der Spion, der mich liebte“, 1977)
12 Klee – For Your Eyes Only (Original: Sheena Easton (Bill Conti & Michael Leeston), aus „In tödlicher Mission“, 1981)
13 The Legendary Len Higgins – Thunderball (Original: Tom Jones (John Barry & Don Black), aus „Feuerball“, 1965)
14 Sleeper featuring David Lewis Gedge – Mr Kiss Kiss Bang Bang (Original: Dionne Warwick (John Barry), aus „Feuerball“, 1965; kein Titelsong)
15 Graeme Ramsay – From Russia With Love (Original: Matt Monro (John Barry & Matt Monro), aus „Liebesgrüße aus Moskau“, 1963)
16 Terry De Castro – A View To A Kill (Original: Duran Duran (John Barry & Duran Duran), aus „Im Angesicht des Todes“, 1985)
17 The Ukrainians – Die Another Day (Original: Madonna (Madonna & Mirwais), aus „Stirb an einem anderen Tag“, 2002)
18 Such Small Hands – Skyfall (Original: Adele (Adele & Paul Epworth), aus „Skyfall“, 2012)
19 Shaun Charman – On Her Majesty’s Secret Service (Original: John Barry & Orchestra (John Barry), aus „Im Geheimdienst ihrer Majestät“, 1969)
20 David Lewis Gedge – We Have All The Time In The World (Original: Luois Armstrong (John Barry & Hal David), aus „Im Geheimdienst ihrer Majestät“, 1969; kein Titelsong)

Es fehlen:
„Moonraker“ von Shirley Bassey aus „Moonraker – Streng geheim!“, 1979
„The Living Daylights“ von a-ha aus „Der Hauch des Todes“, 1987
„License To Kill“ von Gladys Knight aus „Lizenz zum Töten“, 1989
„You Know My Name“ von Chris Cornell aus „Casino Royale“, 2006
„Another Way To Die“ von Alicia Keys & Jack White aus „Ein Quantum Trost“, 2008
„Writing’s On The Wall“ von Sam Smith aus „Spectre“, 2015
„No Time To Die“ von Billie Eilish aus „Keine Zeit zu sterben“, 2020/2021