Von Matthias Bosenick (09.11.2013)
Was für eine Kombination, und bei Lichte betrachtet – was man wohl eher nicht tut, wenn man das Album hört – sogar längst überfällig: Teho Teardo, einst Mitglied der Industrial-Metaller Meathead, und Blixa Bargeld, Stimme und Kopf der Avantgarde-Industriellen Einstürzenden Neubauten, erarbeiten ein Album zusammen. Das könnte man, zumal sich Musiker Teardo auf Soundtrack-Kompositionen verlegte und Bargeld hier hauptsächlich Text und Stimme beisteuert, als Kammerklassik-Industrial bezeichnen. Eine gelungene Kombination, besonders für alle, die die Neubauten vermissen.
Unterstützung erhält der Multiinstrumentalist Teardo ein weiteres Mal vom Balanescu Quartet und von der Cellistin Martina Bertoni. Teardos Instrumentarium ist überwiegend klassisch geprägt, von Piano bis zu diversen Gitarren, reicht aber auch in Percussion, Synthies und PC-Programmierungen hinein. Bargeld sprechsingt nicht nur, er bedient auch Hammond-Orgel, Wasserpercussion, Glockenspiel und E-Gitarre. Was sich also vornehmlich wie Kammermusik liest und bisweilen auch anhört, ist durchaus und durchweg experimentell und avantgardistisch ausgeprägt. Eine eher stille, zumeist dunkle Stimmung zieht sich durch das Album. Nicht immer bricht die Musik aus oder schlägt über die Stränge, wahrt aber trotzdem permanent einen kompositorischen Anspruch, der sich weitestmöglich von glattem Gedudelt abgrenzt. Bei alledem strahlen viele Lieder doch immer wieder Wärme aus.
Als Sahnehäubchen verfeinert Bargeld die Musik mit seiner Stimme. Das tut er auf Deutsch, Englisch und überraschenderweise auch Italienisch, der Muttersprache seines Kompagnons. Wie es sich für Bargeld gehört, ist er zwar sprachlich avantgardistisch, inhaltlich anspruchsvoll, aber immer mit Humor: „Mi scusi“ sagt er eingangs entschuldigend dafür, dass er eigentlich kein Italienisch kann. Das hat Charme, wie das ganze Album, und das klingt, wenn man so will, wie eine weitergedachte Variante der Einstürzenden Neubauten.
Es ist schön, dass Teardo auf diese Weise eine größere Aufmerksamkeit zuteil wird. Schon seine Band Meathead hätte in den 90ern eine größere Anhängerschaft verdient. Seinerzeit arbeiteten die experimentellen Industrial-Metaller mit Szenegrößen wie Cop Shoot Cop, Zeni Geva, Swamp Meat (als Circus Of Pain), Pankow, Pain Teens und Babyland zusammen und tourten mit Helmet und Biohazard. Später veröffentlichte Teardo Alben mit Mick Harris (Scorn, Napalm Death), NoWave-Ikone Lydia Lunch, JG Thirlwell, den streitbaren Nurse With Wound und den verstörenden Noiserockern Ramleh – schwere Kost ist der Mann also gewohnt. Weitere Projekte, zum Teil in Richtung Dub, Hip Hop, Dance-Experiment und mehr gehend, hießen Operator, Here oder Matera. Inzwischen verlegte er sich aber auf Soundtracks, wofür er in Italien gefeiert wird. Unter anderem zwei Filme von Paolo Sorrentino veredelte er, „L’amico di famiglia (The Family Friend)“ und „Il Divo“.
Umtriebig, mit weitem Horizont und weitgehend geschmackssicher ist Teardo also. Ein guter Partner für Bargeld, und also ist „Still Smiling“ ein gutes Produkt. Das übrigens gibt es als Doppel-LP mit zwei Liedern mehr, und auch der Download-Code ermöglicht Zugriff auf die dann 14 statt 12 Tracks. Vorbildlich!