Von Matthias Bosenick (20.07.2022)
Was buddeln die Leute von Sireena denn jetzt wieder aus? Straight Shooter, eine Hardrockband aus Düsseldorf, die zwischen 1978 und 1984 aktiv war. Vier von fünf Alben veröffentlichen die Bremer nun verteilt auf zwei CDs und lassen offen, warum das zweite Album nicht dabei ist. Man begleitet das wechseln besetzte Quin- bis Sextett chronologisch eigensinnig auf seinem Weg vom tighten Orgelrock zur Discofizierung und mithin zur Auflösung, weil sich dann doch nicht so viele Leute für diese Transformation begeistern konnten. Als Zeitdokument sind diese beiden CDs aufschlussreich und bergen so manche Perle, die offenbar sogar in lokalen Barfußtanzdiscos zu Clubhits wurden. Ah nee, der Song war ja auf dem zweiten Album. Dennoch: Es geht geil los mit ausufernd georgeltem Hardrock, der sich international gar nicht zu verstecken gebraucht hätte.
Straight Shooter beginnen ihre Karriere mit einer Coverversion: Noch Jahre vor Gary Moore schnappen sie sich „Friday On My Mind“ von den Easybeats, die später zu Flash And The Pan sowie den Produzenten von AC/DC wurden, und machen daraus einen Orgelrocker mit Punkattitüde. Diese erste Single eröffnet auch das Debüt „Get Straight“ aus dem Jahr 1978, das in den folgenden Songs den seinerzeit auch in Düsseldorf grassierenden Punkgeist wieder zurückschraubt und mehr – so will es Bandkopf Georg Buschmann – im melodischen Hardrock aus England wildert. Nicht umsonst gibt er nach seinem Ausstieg bei den Progrockern Streetmark seiner neuen Band den Titel von Band Companys 1975er-Album „Straight Shooter“ als Namen. Als zweite Coverversion ist hier The Lovin‘ Spoonfuls „Summer In The City“ enthalten, und was Straight Shooter daraus machen, ist nun wirklich nicht mehr mit dem Original vergleichbar: Entspannt chillt das Stück zunächst vor sich hin, schleppt sich dann durch die ersten paar vertrauten Sequenzen und mutiert dann zum psychedelischen Rocker à la „Radar Love“, sehr geil. Geiler als von Joe Cocker allemal.
Das von Conny Plank gemischte „Get Straight“ nun hat vieles von dem zu bieten, was man vom Classic Rock noch so kennt: Kuhglockenanmutung, Orgel, teilweise zweistimmige Gitarrensoli, Drama, große Geste, Progressivität (schließlich brachte Buschmann die noch von Streetmark mit), Epik, schnellen harten Rock, langsamen weichen Rock, rauhen halbhohen Röhrgesang inklusive zeppelineskem „Uhuhuh“, Melodien, Keyboardgegniedel, Experimente, also ein Potpourri an Zutaten, für die man seinerzeit als Hardrockfan in die Plattenläden gerannt wäre. Möglicherweise gab es von dieser Art einfach zu viele Optionen, als dass sich Straight Shooter da ernsthaft über den bundesweiten Status hinaus etablieren konnten. Ein Wiederhören indes lohnt sich. Lustige Geschichte am Rande: Fürs Coverfoto organisierte die Band damals einen realen Löwen mit dem TV-Namen Clarence, der sich jedoch unwillig zeigte, weshalb nun ein gezeichneter Löwe abgebildet ist.
Erstaunlicherweise koppelt Sireena dieses Debüt auf CD mit dem letzten Album „5“, von dessen Titel man – anders als etwa bei den Traveling Wilburys oder den Violent Femmes – tatsächlich ablesen kann, dass es sich um das fünfte handelt. Besetzung und Sound sind so weit weg vom Hardrock, dass der Zeitsprung das direkte Hören in Folge ein wenig schmerzhaft macht. Es klingt nach New Wave, nach NDW, artifiziell. Der Anteil der Synthies nimmt enorm zu, obwohl die Basis der Songs noch Rockmusik ist, und auch die Drums klingen teilweise synthetisch, wie es zu der Zeit eben üblich war. An den mitreißenden Sound von etwa Fischer-Z kommen Straight Shooter nicht heran, auch wenn es vereinzelte Offbeat-Experimente gibt. Dazu shoutet Buschmann annähernd wie ein Wiedergänger von Bon Scott. „5“ ist als Zeitdokument interessanter, als es trotz einiger spannender Passagen musikalisch tatsächlich ist. Rätselhaft übrigens: Die 1984 nachgeschobene 12“ „Deep In The Night“ und deren B-Seite „Blue Collar“ fehlen in dieser Wiederveröffentlichungsreihe ebenso wie das zweite Album „My Time – Your Time“, dessen achtminütiger Titeltrack offenbar der kleine Clubhit war.
Auf der zweiten CD finden sich nun also Album Nummer drei und vier, „Flyin‘ Straight“ aus dem Jahr 1981 und „Rough ‘n Tough“ aus dem Folgejahr. Den Bon Scott macht Buschmann auch hier schon, wenn man es bei Lichte betrachtet, nur ohne den AC/DC-Groove dahinter, kombiniert mit etwas Robert Plant, und die Mucke entspricht noch viel mehr dem Urgedanken hinter Straight Shooter: progressiv-melodischer Hardrock mit Keyboardunterstützung unter Auslassung der Orgelsounds. „Flyin‘ Straight“ klingt ansatzweise schlechtgelaunt, eher räudig, und das steht dem Sound gut. Der Witz mit dem Single-Titel „Straight Fighting Man“ geht zwar nicht auf, weil man die Stones nicht heraushört, aber der Song ist ein guter Auftakt für ein Album, dem man anhört, dass da eine Band Bock aufeinander und auf die Mucke hat. Ein Boogie mit Klavier schließt das Album schlüssig ab, und da dringen AC/DC und Led Zeppelin dann noch ein bisschen mehr durch.
Der Nachfolger „Rough ‘n Tough“ weist dann schon deutlich in Richtung „5“: synthetischer, zackiger, glatter geht es los, dann lässt die Band doch wieder den Rock’n’Roll von der Leine, dieses Mal sogar wieder mit der Orgel. Hier funktioniert der Hybrid aus Led Zep und NDW noch überzeugender als ein Jahr später, weniger cheesy und kitschig, mehr integrativ. Streckenweise gelingen dabei Songs, die auf einer Classic-Rock-Compilation den Altgedienten so manche Show stehlen würden. Man hört, wie routiniert kreativ die Musiker sind und wie offen dafür, Neues ins Alte zu integrieren.
Damit veröffentlicht Sireena nun die Musik von Straight Shooter erstmals überhaupt auf CD. In Düsseldorf gab’s weiland also nicht nur Elektronik und Punk, wenngleich beides hier seine Sporen hinterlässt und doch im Hardrock aufgeht. Bleiben nun die genannten Lücken, über die sich das Label ausschweigt. Noch? Buschmann kann man dazu nicht mehr befragen: Der Bandchef verstarb 2021.