Red Lorry Yellow Lorry – Driving Black – Cop International 2024

Von Matthias Bosenick (09.01.2025)

Satte 32 Jahre nach der letzten Tonträgerveröffentlichung – außer Compilations – kommen Red Lorry Yellow Lorry aus Leeds plötzlich mit der Splatter-Vinyl-12“ „Driving Black“ um die Ecke, und das auch noch als Vorboten zu einem neuen Album, „Strange Kind Of Paradise“, dem finalen sechsten der Post-Punk-Waverocker. Final, weil Bandmitglieder durchsickern ließen, dass Chef Chris Reed gesundheitliche Probleme habe, die eine Fortführung seiner musikalischen Aktivitäten unterbinden. Daher freut man sich über diese teilweise auch schon 20 Jahre alten neuen Songs, auch wenn diese Rückkehr künstlerisch insgesamt eher lediglich so okay ist.

Man kann die sechs Stücke – eigentlich fünf, weil das Titellied in zwei verschiedenen Remixen enthalten ist – kaum so richtig auseinanderhalten: Sofern nicht durchgehend, dann wenigstens im Mittelteil geht die Snare bei fast allen auf die Eins, die Produktion ist angenehm fett, die Gitarren gniedeln prachtvoll, es shaket, es rockt, dafür wavet es nicht ganz so sehr, an mancher Stelle hört man sogar den alten Chris Reed am Mikro heraus und man fühlt sich ganz selten sogar mal in die Achtziger zurückversetzt. Aber das ist gar nicht das Anliegen der Lorries.

Schließlich ist Zeit vergangen, und das hört man. So halbwegs. Weil eben der Sound fetter ist als damals, als die Lorries noch minimalistischer waren, und weil hier echte Drums zu hören sind und kein Drumcomputer. Und damals, das ist ewig her, da waren die Produktionsmittel noch anders und die Erwartungen einer Gothic-Szene sowieso, die ist ja mitgealtert und offener als die nachgewachsene, da kann man auch solche Songs wie diese bringen und seine Gefolgschaft trotzdem begeistern. Weil man noch da ist, wenigstens. Damals, außerdem, waren die Lorries nur gut zehn Jahre lang überhaupt aktiv.

Nun also: Der Titeltrack, auf der A-Seite im „Ding’s Mix“, also von Bassist Simon Archer angefertigt, der sich Ding nennt, ist ein energetischer Auf-die-Eins-Rocker. „Safe As Houses“ beginnt mit der RLYL-Akustikgitarre, rockt dann auch los, dazu gniedelt eine geile E-Gitarre und das Schlagzeug drischt lebendig drauflos. Zudem hört man hier Chris Reed wie gewohnt tief grummeln, anders als auf den anderen Songs, auf denen man ihn kaum wiedererkennt. „Living With Spiders“ hat ebenfalls Gniedelgitarren, läuft streckenweise ebenfalls auf der Eins und ist richtig fett ausgestaltet.

Die B-Seite beginnt mit einer Variante des Titeltracks, dieses Mal geremixt von John Fryer, dem bewährten Produzenten. Seine Version hat mehr Fuzz. Elektronische Dance-Strukturen hat hier indes keiner der Remixe, darauf sind die Lorries nicht aus. „Piece Of Mind“ startet mit einer gedrosselten Strophe, geht über in einen normaltemperierten Refrain mit fuzzy Gniedelgitarre und landet abermals auf er Eins. Die Stimme klingt hier gar nicht so recht nach Chris Reed. „Chickenfeed“ im Remix von The Halo Trees ist etwas langsamer, hat einen shaky Beat, dezidiert eingearbeitete Electro-Effekte und ein Classic-Rock-Gewand, das die Idee von „Born To Be Wild“ zulässt.

Man hört die EP durch und durch und durch und es bleibt dennoch nur schwer ein Song wirklich hängen. Musikalisch ist das alles tadellos, da gibt’s nix. So richtig Red Lorry Yellow Lorry indes mag es nicht wirklich sein, auch die damalige Verwandtschaft zu den Sisters Of Mercy ist verweht. Außer den Genannten, also Gitarrist und Sänger Chris Reed – das einzige Gründungsmitglied, nebenbei, und ganz ganz damals noch gar nicht singend – sowie Bassist Simon „Ding“ (oder auch „Dingo“) Archer – der seine Meriten auch bei 1919 und The Fall holte –, sind Gitarrist David „Wolfie“ Wolfenden – seit Anfang der Achtziger Bandmitglied – und Schlagzeuger Martin Henderson – unter anderem Ex-Skeletal Family, Ex-The Quireboys – an den Songs beteiligt.

Die sind überdies teilweise auch schon wieder 20 Jahre alt: 2004 veröffentlichten die Lorries rein digital die „Black Tracks“, vier Songs, deren letzter eben „Driving Black“ war. Für die anderen drei muss man auf die Suche gehen, „Worlds Collide“, „I Need Time“ und „The Only Language“ sind schwer zu bekommen, sofern sie nicht Teil des kommenden Albums werden. Nur elf Jahre später erschien eine weitere digitale EP, einfach „Red Lorry Yellow Lorry“ betitelt, auf der „Safe As Houses“ und „Piece Of Mind“ bereits zu haben waren. Die anderen beiden Songs waren Neuversionen von „Cut Down“ und „Crawling Mantra“. Drei der Songs dieser „Driving Black“-EP seien exklusiv, sagt die Band, und drei als Variante der jeweiligen LP-Songs aufzufassen, die da im Februar zu erwarten sind.

Nachdem die Lorries nach 1992 und dem bisher finalen Album „Blasting Off“ die Aktivitäten einstellten, setzte Chris Reed seinen Weg 1994 mit Chris Reed‘s Woof und den Veröffentlichungen „Woof! EP“ und „Birthday Skin“ fort, ließ sie wieder ruhen und schob erst 2005 als Chris Reed Unit das Album „Minimal Animal“ nach. Beides vortreffliche Projekte, in sich relevanter als die „Drving Black“-EP – außer, dass damals eben nicht Red Lorry Yellow Lorry draufstand. Das Vinyl ist aber ansehnlich, schön schwarzweiß gesplattert. Was auch immer Chris Reed beeinträchtigt, möge es ihm fürderhin gutgehen!