Von Matthias Bosenick (15.10.2016)
Sicherlich, Phillip Boa ist einer der kreativsten und umtriebigsten Indiemusiker des Landes (Malta). Aber. Seit Jahrzehnten schon gibt es Anlass, sich über seine Veröffentlichungspolitik zu wundern, mit limitierten Bonus-12“es, Bonus-Tracks, Rereleases mit davon abweichenden Bonus-Tracks, Best-Ofs mit Exklusivtracks, limitierten Versionen mit abweichenden Extrasongs zur Standardversion und so weiter. „Blank Expression“ setzt diesem Vorgehen die Krone auf: Der Fan bekommt ein neues Studioalbum namens „Fresco“ lediglich als Bonus der limitierten Version einer neuen Best-Of. Nun kann man sagen: Lustiger Einfall, der Sammler erhält ein Geschenk. Oder auch: Boa ist sich der Irrelevanz seiner neuen Musik so gewiss, dass er sie lediglich versteckt veröffentlicht. So geil sein Indierock auch ist: Letzteren Eindruck verfestigt das Album. Leider. Zunächst.
Eigentlich ist in „Fresco“ alles drin, was man an Boa mag: tanzbare Beats, sägende Gitarren, gelegentliches eruptives Ausbrechen der Musik, fröhliche Melodien, die sich sofort ins Ohr setzen, wechselnde Stimmungen zwischen Ballade und Motivation sowie Wechselgesang zwischen Boa und Frauenstimme, dieses Mal von jemandem namens Nadine. „Fresco“ bleibt, wie bislang alle Alben von Boa, schnell im Gedächtnis hängen, man hat sofort Ohrwürmer und erkennt die Songs als alte Bekannte wieder. Und doch: Dem Album haftet etwas Altersmüdes an. Es klingt bisweilen wie eine eingelöste Verpflichtung, nicht wie ein ausgelebtes Verlangen. Der Sound ist durchgehend etwas sehr künstlich, trotz aller Gitarren. Eines der Highlights ist sicherlich „Twisted Star“, das stark an alte Gassenhauer wie „Love On Sale“ erinnert – und das deshalb auch auf der Best-Of enthalten ist. Der Fan hat es also doppelt, wenn er nur diese eine Veröffentlichung erwirbt.
Die gibt es nun in verschiedenen Formaten. Wer mehr haben will als die Doppel-CD, kauft die Spezialversion mit 10“, auf der Boa vier alte Hits neu einspielt, den beiden normalen Alben, einem Buch mit Fotos und Texten sowie einer dritten CD, auf der ausgewählte Livesongs zwischen 2013 und 2015 zu hören sind. Die weiblichen Stimmen stammen hier wechselnd von Pia und Nadines Vorgängerin Pris. Diese CD ist in der Tat reizvoller als die normale Best-Of, weil die Songauswahl (trotz Überschneidungen) mutiger und weniger vorhersehbar ist. Sicherlich sind die Unterschiede zu den Studioversionen marginal, aber mit „Starman“ ist eine Soundcheckversion des David-Bowie-Stückes enthalten, das es vorab nur auf einer der unzähligen anderen Boa-Best-Ofs gab („Boa 85-98 Singles Collection“).
Der Titel der Compilation bezieht sich übrigens ebenfalls auf eine alte Zusammenstellung: Für Griechenland veröffentlichte Boa 1989 eine Best-Of titels „30 Years Of Blank Expression“, und zum (ungefähr) 30. Geburtstag seines Voodooclubs ließ er die 30 years lediglich weg.
Na ja, und wenn man das Ganze dann ein paarmal gehört hat, stellt man schon fest, dass die erste Abneigung eigentlich der schlichten Abzocke geschuldet war. Natürlich ist „Fresco“ kein schlechtes Album. Aber nett geht anders.