Iron Maiden – Senjutsu – Sanctuary/Parlophone 2021

Von Matthias Bosenick (01.11.2021)

Schunkeln und Gniedeln: Das Epische walzen Iron Maiden auf ihrem neuen Album „Senjutsu“ noch weiter aus als auf denen davor, strecken – wie schon vor sechs Jahren bei „The Book Of Souls“ – ihre zehn Tracks auf zwei CDs und verlieren den Punkt aus den Augen, auf den sie kommen sollten. Natürlich bekommt man, was man von den NWoBHM-Miterfindern bekommen will, Operetten-Gesang, Powerchords, Galopp-Riffs, eingängige Melodien, schnieke Soli, doch hätten die Briten aus dem Material gern ein kurzes und knackiges Album formen sollen. Ist doch alles etwas viel und verliert sich bisweilen in Klischees, in denen sich bis dato vorrangig die Epigonen tummelten.

Auf manche der musikalischen Ideen auf „Senjutsu“ wären Santiano auch gekommen. An zu vielen Stellen klingt das Album nach Seemansmetal, mit Shanty-Gesang und Schunkelrhythmus, und man hatte ja schon gedacht, dass das Thema mit Running Wild abgefrühstückt gewesen wäre. Japanisch hingegen, wie es Titel und Cover suggerieren, klingt die Musik hier nicht. Sobald dann die fast anderthalb Stunden „Senjutsu“ dann vorbei sind, hat man von Bruce Dickinsons hoher Stimmlage und den reichlich verwechselbaren Refrains Kopfschmerzen. Dream Theater meidet man wegen so etwas.

An der Musik selbst kann man jedoch Gefallen finden, mehr als an den Songs. Die Basssaiten klingen nach schwerem Metall, das Schlagzeug ist kantig und variantenreich, die Gitarren brillieren in Solo wie in Melodie und Rhythmus, ohne sich zu verheddern, und es gibt einige nette Ideen, mal einen kurzen punkigen Einschlag wie 1980, mal ein Chorgesang, mal eine akustische Passage, mal tatsächlich kurzzeitig etwas wie riffige Heaviness; so richtig metallisch zur Sache geht es jedoch kaum, was das Album zusätzlich zäh macht. Und dann gibt es da noch das Keyboard, das seit 1988 den Maiden-Metal unterkleistert. Muss man mit klarkommen. Jedoch ergibt sich Progressivität weder aus unendlichen Wiederholungen noch aus zufälligen Brüchen im Song, da haben Maiden selbst deutlich schlüssigere lange Stücke in ihrem Oeuvre. Diese hier sind zudem gefühlt alle gleich aufgebaut, mit Ambient-Intro, Galopp-Mittelteil und Ambient-Outro. Bei ungefähr halbierter Laufzeit und stärkerer Konzentration auf die ungewöhnlichen und wiederholungsfreien Passagen wäre „Senjutsu“ eindrucksvoller ausgefallen.

„Senjutsu“ wirkt wie die Erfüllung eines Auftrags, den Iron Maiden ihrem Status entnehmen. Dadurch geht leider auch der Humor verloren, den die Band noch in den Achtzigern und frühen Neunzigern deutlich zur Schau stellte; klar, Songs wie „Holy Smoke“ stießen bei Fans auf Kritik, aber hey, die Ironie steht der Band gut. Deutlichster Hinweis auf Humor ist wohl die Teilnahme von Monty Pythons Graham Chapman am Musikvideo zu „Can I Play With Madness“, damals, 1988. Und überhaupt, so ein Maskottchen wie Eddie, kombiniert mit den alten Plattencovern, das ist schon lustig. Dagegen nimmt sich „Senjutsu“ wie ein Arbeitsauftrag aus, dessen einzige Freude sich immerhin im Zusammenspiel der Musiker ausdrückt.

Diese Kopflastigkeit liegt Maidens Musik seit Dickinsons Weggang Anfang der Neunziger inne und verschwand auch nicht, als er gegen Ende des Jahrzehnts zurückkehrte. Vielmehr tragen sämtliche Alben seitdem diese Überpower, die es anstrengend macht, sie durchzuhören. Oder gar hintereinander weg. Immerhin die Buchversion der Doppel-CD ist schick, wenngleich der Plastikeinleger für die beiden Tonträger sehr oldschool ist, da gibt es längst attraktivere Papierideen.