Von Guido Dörheide (29.04.2022)
Der deutsche Thrash-Metal ist – zum Glück – nicht totzukriegen. Sodom haben vor anderthalb Jahren mit „Genesis XIX“ mehr als nur solide abgeliefert, Kreators „Gods Of Violence“ liegt nun schon über fünf Jahre zurück, war aber auch grandios, ebenso wie das ebenso alte „One Foot In The Grave“ der legendären Tankard aus FFM. Jetzt also hier das neue Album der Nummer zwei der Big Teutonic Four of Thrash Metal: „Diabolical“ von Destruction (die erst zuletzt 2019 mit „Born To Perish“ was richtig Tolles veröffentlicht haben). Ohne Gründungsmitglied und einziges konstantes Bandmember Mike Sifringer an der Gitarre. Ihn ersetzt der bisherige Destruction-Tourmanager und Tontechniker Martin Furia. Dass es grundsätzlich nicht falsch ist, Bandmitglieder aus Südamerika zu rekrutieren, haben ja die Ärzte schon erfolgreich vorgemacht. Und Destruction?
Also, zunächst einmal feiert das Coverartwork mit höchstmöglicher Brutalität und schonungsloser Offenheit die deutsche Thrashmetalästhetik der 1980er Jahre ab – es ist herrlich, man kann es nicht beschreiben, man muss es gesehen haben. Einer der coolen Typen von der Wilhelm-Busch-Schule Gifhorn/Gamsen, aus der Zeit, da Helmut Schmidt Kanzler in Bonn war, schreitet, irgendwelches grüne Zeug sabbernd und in Lederkutte gewandet mit seiner abgerissenen, zur Pommesgabel formierten, rechten Hand in seiner Linken durch irgendeine trübe Brühe, in der Fässer mit dem Bandlogo von Biohazard schwimmen, und im Hintergrund steht Shrek, der tollkühne Held. Un Glaub Lich Groß Artig.
Erster Vorab-Eindruck: Die letzte Sodom hat mich von der bombastischen Produktion mehr angesprochen – ich fand aber Destruction immer die Band mit dem filigraneren Sound, und das gefällt mir auch auf „Diabolical“ wieder ausgesprochen gut. Und das bessere Songwriting haben sie für meine Begriffe auch.
So – nun hier aber mal Futter bei die Fische, wie mein Chef immer sagt: Was kann „Diabolical“? Was können Destruction im Jahr 41 nach der Bandgründung? Allen voran Marcel Schirmer – also die Rede ist von Schmier – dem Mann, dem Mythos, der Legende: Er schreit immer noch, was das Zeug hält. Und dieser Gesangsstil hat mich schon immer mehr angesprochen als der von Sodoms Tom Angelripper, die ich aber auch immer noch stark finde. Und er spielt den Bass sehr schön und drängt sich damit niemals in den Vordergrund.
Die beiden Gitarristen – also der schon erwähnte Martin Furia und sein seit 2019 bei Destruction amtierender Kollege Damir Eskić – entfachen ein schön klingendes Pandemonium und viele Riffs haben am Ende so ein hochgezogenes Quietschen, das ich sehr liebe. Eins der Soli aus „Whorification“ erinnert mich entfernt sogar an irgendwas von Helloween, wenn auch härter und dreckiger. Ja geil! „No Faith In Humanity“ wartet mit einem tollen hymnischen Refrain auf und mit dem Text zeigt Schmier, wie ein verdammt guter Thrashmetaltext geht: Kurze Zeilen, den aktuellen Stand der Menschheit treffsicher auf den Punkt bringend, beängstigend hingeschrien. Und dazu donnern die Drums, quietschen die Gitarren und als Sahnehaube on top obendrauf noch wunderschöne oldschoolige Soli – perfekt! Ein Wort zu den Drums (Randy Black, auch erst seit 2018 in der Band): Genau so muss Thrash-Metal, das galoppiert, hämmert, donnert und trägt die Songs zusammen mit Schmiers Bass wahrlich gut.
Am Ende covern Destruction dann „City Baby Attacked By Rats“ von GBH – Hammer! Gefährliche Körperverletzung, genau danach hört sich das an. Und ein toller Abschluss für ein tolles Album ist das auch. Ein Song auf dem Album ist mein persönlicher Hauptanwärter für den Mad-Butcher-Award der 20er Jahre: „Hope Dies Last“ – ja, aber sie stirbt? No, nay, never – „Diabolical“ lässt hoffen, dass es weitere wunderbare Destruction-Alben wie dieses hier geben wird.