Von Matthias Bosenick (08.08.2024)
„Fuck this fucking shit“, schöner Einstieg. Seit 2016 sind NoMeansNo offiziell in Rente, und mit John Wright setzt ein Drittel jener Band aus Kanada unter dem Alias Dead Bob die Reise nun doch noch fort. Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung ist das Vinyl des Debüts „Life Like“ jetzt auch in Europa zu haben – und es lohnt sich: Natürlich bekommt man den Prog-Jazz-Punk von NoMeansNo kredenzt, dazu aber auch den Ramones-Pastiche-Punk der Hanson Brothers sowie einige Neuheiten. Offenbar hat der Schlagzeuger noch einiges mehr an Material in der Schublade, und wer weiß, vielleicht bekommt er seinen Bruder Rob eines Tages doch noch zurück ins Studio.
Immerhin an zwei Sogs ist Bruder Rob beteiligt, wenn auch nur als Komponist: Das Titelstück ist ein Vinyl-Bonus-Track von „Dance Of The Headless Bourgeoisie“, dem NoMeansNo-Album aus dem Jahr 1998, den John umarbeitete und für seinen Solo-Auftakt zu einem dynamischen, treibenden Song machte, mit, und das ist eher ungewöhnlich im NoMeansNo-Kosmos, weiblichem Gesang: Selina Martin von Bob Wisemans Begleitband The Binder Specialists fügt sich wunderbar in den Sound ein. Sie ist überdies nicht die einzige an „Life Like“ beteiligte Frau: Kristy-Lee Audette singt im Ramones-, also Hanson-, artigen Disco-Party-Punk „Party Of One“ und in „One Of You“, einem epischen Track, in dem sich der Schlagzeuger austobt, indem er zu einem minimalistisch gegniedelten Gitarren-Loop seine Fähigkeiten präsentiert und den Song später zu einem konzertierten Urschrei weitet, und, nächste Neuheit, sie spielt Trompete in „No Tomorrows“, einem, weitere Neuheit, Electro-basierten, schleppenden Pseudo-Industrial-Track mit schmissig-noisigen Ausbrüchen, einem fabelhafter Kopfnicker.
Der zweite Song mit Robs Credits ist „White Stone Eyes“, an dem die Brüder vor 25 Jahren arbeiteten und ihn nie vollendeten. Hier gerät er zu einem marschierenden Bassdrum-Track mit etwas Mucke und Talk drüber, der zu einem Disco-Track mutiert und dem Electro-Spielereien beigefügt sind – hier hört man NoMeansNo aus der Zeit um die Jahrtausendwende angenehm explizit heraus. Ja, Rob fehlt, Gitarrist Tom Holliston sicherlich auch, und doch klingt auch der Bass, der nicht von Rob gespielt wurde, nach NoMeansNo, ungefähr „Wrong“. Wie auch der Gesang, den John hier altersbedingt angerauht in die Welt röhrt und der das Vermissen von NoMeansNo nur noch befeuert, auch in den Zwiegesang-Passagen. Na, der Drumsound ist naturgemäß sowas von Signatur, die Songs sind dynamisch gespielt, der Prog-Punk ist typisch, ebenso der pure Punk, denn auch „That Was Too Easy“ erinnert an die Hanson Brothers, „Make Believe World“ eint gar Boogie und Punk, und „I’m Going To Make You Cry“ ist ein flotter, progiger, melodischer Brüll-Brocken.
So ganz allein kriegt er’s nicht hin: Für die Songs, an denen John bereits seit Jahren arbeitete, holte er sich nicht nur die genannte weibliche Verstärkung. Byron Slack von den Invasives spielt bei vielen Stücken Gitarre, Ex-D.O.A.-Sänger Ford Pier beteiligte sich einmalig am Songwriting und mit Rhythmus-Gitarrist Aidan Wright ist Johns Sohn zu hören, der noch 1996 als Baby auf dem Cover der NoMeansNo-EP „Would We Be Alive?“ von seinem Vater in die Höhe gereckt wurde. Damit schlägt er den Werdegang von Tyon Cavalera ein, der 1993 im Opener „Refuse/Resist“ des Sepultura-Albums „Chaos A.D.“ als pränataler Herzschlag zu hören war und später als Schlagzeuger bei Papas neuer Band Soulfly einstieg.
„Dead Like“ ist insgesamt nicht mehr so schleppend wie die Abschieds-Veröffentlichungen von NoMeansNo, die auf den nie außerhalb von Konzerten frei zugänglich gemachten beiden „Tour EP“s 2010 noch sehr das Tempo drosselten, um die Post-Hardcore-Mucke altersgerecht umgesetzt zu bekommen. Nun: Rob ist jetzt 70, John immerhin auch schon 62 Jahre alt. Und wenn man schon am sammeln ist: Die Showbusiness Giants könnte man sich auch noch draufschaffen, oder? Erstmal kann man froh sein, dass man „Life Like“ jetzt auch ohne horrendes Übersee-Porto erwerben kann.