Aphex Twin – Computer Controlled Acoustic Instruments pt 2 EP – Warp 2015

Von Matthias Bosenick (17.02.2015)

Der Typ ist echt mal irre. Erst lässt Richard D. James jahrzehntelang gar nichts von sich hören, dann kommt wie aus dem Nichts das Aphex-Twin-Album „Syro“, gefolgt von gut neun Stunden Gratis-Material im Internet. Und aus dem nächsten Nichts liegt nun eine kleine EP vor. Deren Titel gibt grob vor, was man zu hören bekommt: „Computer Controlled Acoustic Instruments“ nämlich, was aber deutlich weniger abstrakt ausfällt, als man bei den bekannten Parametern annehmen könnte, und vielmehr den Abwechslungsreichtum des Komponisten belegt. Die halbe Stunde (oder 20 Minuten, je nachdem, ob man das Vinyl auf 33 1/3 oder 45 Umdrehungen hört) klingt unerwartet warm und angenehm.

Das Piano dominiert den Klang, und das ist von Natur aus mit mehr Wärme ausgestattet, als es die gewohnten abstrakten Tracks von Richard D. James in der Regel bislang waren. Manchmal klimpert er freundliche, fast romantische Melodien vor sich hin, manchmal unterlegt er sie mit einem chilligen Breakbeat. Man kann das Album auflegen, wenn man nette Menschen zu Gast hat, und verschreckt sie nicht mit seinem abstrusen Musikgeschmack. Weniger experimentell ist James deshalb noch lange nicht; wem jedoch sein Universum einigermaßen vertraut ist, der empfindet diese EP beinahe als Pop.

 

Und James empfiehlt sich einmal mehr als Scherzkeks. Dem Vinyl liegt die Information bei, es sei auf 33 1/3 und 45 rpm abspielbar. Die 33-1/3-Variante entspricht dabei der der CD und des Downloads, die 45-Variante wiederum hat tatsächlich ihren eigenen Charme und erweckt mitnichten den Eindruck, im falschen Tempo abgespielt zu sein. Die Wärme geht mit der Beschleunigung nicht vollends verloren, die Beats werden zwar logischerweise schneller, das ganze Werk erklingt nun zwangsweise flotter und klingt viel mehr wie eine vertraute Aphex-Twin-Arbeit – es stellt also einen Mehrwert dar. Im Internet streiten sich die Leute tatsächlich, welche Variante die bessere sei. Auf jeden Fall lässt sich das Album in seinen diversen Tempi je nach Stimmung hören: In 33 1/3 tendiert der Abend in Richtung Dunkelheit und Kerzen, in 45 eher kopfnickend in Richtung Club. Der Wahnsinn, dieser James, ein echter Zauberer, mal ehrlich.

Zwischen „Syro“ und dieser EP lagen nur wenige Monate, und in dieser Zeit verschenkte James einen Haufen Musik auf seiner Soundcloud-Seite. Zunächst die 21 „Modular Tracks“, dann satte 110 Stücke als „user48736353001“. Ganz abgesehen von seinem „Caustic Window“-Vinyl-Album aus dem Jahr 1994, das er als Unikat bei eBay verkaufte und was rund 46.000 Dollar eingebracht haben soll, ist James also recht freigiebig. Man mag sich daher fragen, warum man bei über neun Stunden Gratis-Tracks plötzlich Geld für zusammen 50 Minuten Musik ausgeben soll. Vielleicht genau deshalb: Man muss die Kreativität des Herrn James einfach mal respektieren und fördern. Außerdem ist die EP wirklich gut und jeden Cent wert. Von einem pt1 ist übrigens keine Rede, auch das ist typisch.