Von Onkel Rosebud
Ottokar Domma war wohl der bekannteste Schüler der DDR. Früchtchen, Weltverbesserer, Gerechter, Schalk und Philosoph in einem. So heißen jeweils auch alle Bücher der Reihe. Ottokar besuchte seit 1967 die sechste Klasse einer brandenburgischen Schule. Er blieb immer zwölf – wie Harald, sein bester Freund, wie der Schweinesigi oder die Mia, die „die dicke Mia“ genannt wird, was heutzutage zu Recht nicht mehr geht. Auch andere Charaktere in den Büchern wie der Klassenlehrer Burschelmann, Direktor Keiler, Fräulein Bella Kohl oder die Pilei Alfons altern in den Büchern nie.
Verschmitzt wird Fräulein Kohl gefragt, ob die Mittelgebirge nicht auch über sich hinauswachsen sollten, er spricht den Brieffreund Aljoscha mit russischem Akzent an und erklärt ihm die Jugendweihe, verkündet einen Tag der Wahrheit und bringt damit die Schule in Aufruhr.
Die Geschichten vom braven Schüler Ottokar sind im Stil von Schulaufsätzen geschrieben und gehörten zur Grundausstattung der damaligen Kinderzimmer. Die Figur des Ottokar war in der DDR so bekannt wie Momo oder Pippi Langstrumpf im Westen. Otto Häuser (1924-2007) aus Johanngeorgenstadt hat Ottokar erschaffen. Es heißt, er sei wegen Aufsässigkeit gegenüber Lehrern in der 9. Klasse von der Schule verwiesen worden. Belegt ist, dass Häuser als Lehrer, Schulleiter, Oberstudienrat und Redakteur arbeitete, und seit 1959 nebenher immer als Autor unter dem Pseudonym Ottokar Domma für den Eulenspiegel, die Titanic der DDR, geschrieben hat. Warum unter Pseudonym? Den Grund dafür kennt die Literaturgeschichte: Es kommt häufiger vor, dass einer sich genötigt fühlt, bürgerliche Reputation und beargwöhnte Schriftstellerexistenz vor den Augen der Welt auseinander zu halten. In meinem Pass steht ja auch nicht Onkel Rosebud. Heute können Häusers Schulgeschichten das Ansehen seiner einstigen Arbeitgeber, des DDR-Volksbildungsministeriums und des Neuen Deutschlands, nicht mehr beschädigen, das Pseudonym ist längst enttarnt.
Ottokar Domma ist heute eine Legende. Die Bücher setzen sich satirisch mit den Verhältnissen des Realsozialismus in der ehemaligen DDR auseinander. Der Junge redete über Menschen und Dinge, wie sie hätten sein sollen, aber eben nicht waren. Und nicht auf dem Niveau simpler Schülerstreiche, sondern geradezu philosophisch und grammatikalisch mit feiner Nadel gestrickt.
Ottokar Domma ist auch ein Held meiner Kindheit. Ich bin mit den Schallplatten aufgewachsen und konnte sie auswendig. Trotzdem ist da mehr als nur Nostalgie-Laune, weil Ottokar bis heute generationsübergreifend funktioniert.
Onkel Rosebud