Von Matthias Bosenick (12.11.2024)
Kaum jemand Passives ist so aktiv wie Alien Sex Fiend: Von der nicht kategorisierbaren Band um das Ehepaar Wade aka Fiend gibt es jetzt die dritte und nach aktuellem Stand vorerst letzte Box mit Alben und Bonuszeug auf fünf CDs, beginnend 1997 mit „Nocturnal Emissions“ und endend bei der „Re-Possessed EP“ aus dem Jahr 2019. Auch mit den ganzen sammelnswerten Extrawürsten, die die Alben ergänzen, ist diese Box natürlich nicht vollständig, aber so ist das mit den Batcave-Heroen, irgendwas für eine künftige Compilation bleibt immer übrig. Gern her damit, der Fan nimmt alles und tut sogar jedes Mal gut daran.
Auf fällt, dass das 1994er-Album „Inferno“ fehlt, es ist weder Bestandteil der zweiten Box, die bei „Open Head Surgery“ aus dem Jahr 1992 endet, noch der vorliegenden dritten. Dabei stellt gerade dieses die große Zäsur im Sound der gruftigen Wave-Goth-Rock-Electro-Experimental-Spaß-Combo dar, war es doch elektronisch-technoid und gab grob die Richtung vor, in die sich Alien Sex Fiend hernach orientieren sollten. Somit fehlt selbstredend auch der mehr als 17 Minuten lange Vinyl-Bonus-Track „Inferno (15 Of 20 Mix)“.
Auf fällt weiterhin, dass die erste Box zwischen „Who’s Been Sleeping In My Brain“ 1983 und „‚It‘ The Album“ 1986 lediglich vier Jahre umspannt, die zweite Box ab „Here Cum Germs“ 1987 immerhin sechs, die dritte indes satte 28, sogar lediglich, weil ja „Inferno“ fehlt. Die „Nocturnal Emissions“ hatten 1997 mit „Evolution“, „On A Mission“ und „Tarot“ elektrobasierte Tracks, die irgendwo zwischen Techno, Ambient, IDM und Drum And Bass angesiedelt waren und das Freakige von Alien Sex Fiend auf ein modernisiertes Level hoben. Von den genannten Singles gab es insgesamt elf Remixe, von denen es genau zwei in den Bonus-Bereich des Albums schafften; Extra-Verwirrung stiftete, dass die CD- und die Vinyl-Version von „Evolution“ auch noch unterschiedliche Mixe boten, sowie, dass es im Jahr 2000 eine Special Edition von „Nocturnal Emissions“ gab, die der hier vorliegenden CD-Version in veränderter Reihenfolge entspricht. Zu „Para-Abnormal“ kommen wir später.
Erst 2004 folgte mit „Information Overload“ das bei Fans schon gar nicht mehr erwartete nächste Album, das den Sound beibehielt, an manchen Stellen sogar noch intensivierte. „Gotta Have It“ stampft ziemlich ruppig, so als Beispiel. Hier gibt es zwei Bonus-Remixe, nämlich vom Titeltrack und von „Five To One“, die noch nie zuvor veröffentlicht wurden. Aufmerksame Zeitzeugen erinnern sich, dass dem Album im Jahre 2006 die Remix-Sammlung „Para-Abnormal“ folgte, und ja, die ist Teil der fünften CD dieser Box, allerdings mit lediglich sieben der zehn Tracks. Immerhin tauchen hier endlich auch einige „On A Mission“- und „Tarot“-Vinyl-Bearbeitungen auf, wenn auch nicht alle sowie eben auch nicht alle von „Para-Abnormal“.
Eine weitere Lücke tut sich mit der 2007er Download-EP „All The Madmen“ auf, deren Titelsong ein Cover von David Bowie ist, das die Band für die Tribute-Compilation „Goth Oddity“ aufgenommen hatte. Weitere Songs der EP waren „Wig-Wam Bam“, im Original von The Sweet und Beitrag zum Sampler „Greatest Hits Remixed (The Glam Goth Techno Mixes)“, „Echoes“, im Original von Pink Floyd, hier in einer kürzeren Fassung als auf der „Inferno: The Mixes“-Maxi-CD sowie der „A Saucerful Of Pink“-Tribute-CD, sowie der Album-Track „Five To One“, im Original von The Doors und auch auf der „Darken My Fire“-Cover-Sammlung enthalten.
Weiter geht es in der Box daher mit dem Album „Death Trip“ aus dem Jahr 2010, das den Weg zurück zum Gothic Rock einschlug. Zu den zehn Original-Songs finden sich hier satte neun Bonus-Tracks, allesamt bis dato unveröffentlichte Neubearbeitungen der Album-Tracks, zwischen Dub und anderen elektronischen Spielarten. Bleibt das bisher letzte Album „Possessed“ aus dem Jahr 2018, hier in der CD-Version, ohne die Remixe und Alternativversionen, die es auf der Doppel-LP gab – die Vinyl-Sammler haben damit einen Vorteil, die Box-Käufer das Nachsehen, dafür aber zwei neue Remixe, die es zuvor noch nicht gab. Das Album war seinerzeit ein Knaller, wie ein Brückenschlag zwischen den alten Batcave-Rocknummern und den epischen Elektro-Tracks. Vollzählig findet sich hingegen die ein Jahr später ans Netz gegangene Download-EP „Re-Possessed“ mit sechs Neuversionen, erstmals also physisch zu haben.
Der Sammler bekommt hier also einerseits haufenweise Lücken, andererseits aber bisher digitale Raritäten und exklusive neue Tracks kredenzt. Und auch, wenn die Veröffentlichungsfrequenz neuer Musik seit den zurückliegenden 30 Jahren sehr langwellig ausfällt, bekommt man immer wieder Gutes in eine für Alien Sex Fiend neue Richtung – und die stetige Bestätigung, dass sich das Warten lohnt.