Von Onkel Rosebud
Wenn es um charismatische Männerstimmen in der deutschen Synchronisations- und Hörspiellandschaft geht, mag meine Freundin neben Rufus Beck und Klaus-Dieter Klebsch besonders Udo Schenk (*1953) aus Wittenberge im Landkreis Prignitz. In den Harry-Potter-Filmen synchronisierte er „den, dessen Name nicht genannt werden darf“ und auch sonst lieh er diversen spektakulären Bösewichten, wie James Gordon in der Christopher-Nolan-Batman-Triologie, Henry Hill in den Mafia-Dramen von Martin Scorsese, Benjamin Linus in „Lost“ oder David Morrissey „The Governor“ in der Fernsehserie „The Walking Dead“, seine Stimme.
Wofür meine Freundin und ich Udo Schenk wirklich verehren, ist die Hauptrolle der Radio-Hörspielreihe, die sich um den selbsternannten Privatdetektiv Yevgeny Marlov, erschaffen von David Zane Mairowitz (*1943), dreht. Marlov ist das sowjetische Pendant von Raimund Chandlers Philip Marlowe. Mairowitz hat eine zeitlose Figur erschaffen, die sowohl in den 30ern als auch in den 80er Jahren ermittelt, ohne dabei hörbar zu altern. Mit diesem Kunstgriff ähnelt er der Figur des James Bond. Inzwischen gibt es 14 Hörspiele, die alle unter der Regie von Jörg Schlüter vom WDR entstanden sind und allesamt vergnüglich unterhalten. Der Clou dabei ist, dass der Autor wichtige Momente der UdSSR-Geschichte in die Erzählung über die fiktive Figur des Yevgniy einpflegt. Dabei werden oftmals Ereignisse gewählt, deren vollständige Aufklärung bis heute nicht gelungen bzw. fragwürdig ist. Zum Beispiel spielt die erste Folge in der Parteizentrale der KPDSU in Leningrad 1934, wo der erste Sekretär der Leningrader KP erschossen wird. Im Weiteren spielen die Ermittlungen zum Tode Stalins und das Verschwinden seiner Leiche eine Rolle sowie ein tatsächlich 1959 in Bukarest inszenierter Bankraub. Es wird geklärt, warum Breschnew ein Autonarr war, wie viel Korruption bei der Errichtung der Baikal-Amur-Magistrale-Eisenbahn im Spiel gewesen ist, der sowjetische Einmarsch in Afghanistan (1979 bis 1989, die Älteren werden sich erinnern) wird ebenso abgehandelt wie Tschernobyl. Alles spannend und lustig erzählt und ohne Udo Schenk als Yevgeny Marlov undenkbar. Interesse aufzubringen in Zeiten, wo man schief angeschaut wird, wenn man sich über den Tellerrand mit der Geschichte von Väterchen Frost hinter dem Eisernen Vorhang beschäftigen möchte, ist heute gesellschaftlich nicht unbedingt konsensfähig.
Herrn Schenk kann man natürlich nicht auf seine Synchronisations- und Hörspielaktivitäten reduzieren. Ihn kann man guten Gewissens auch als Volksschauspieler bezeichnen. Einem breiten Fernsehpublikum wurde er ab 2007 insbesondere durch seine Rolle als Urologe Dr. Rolf Kaminski in der ARD-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ bekannt. Meine Freundin und ich haben das nie gesehen. Dafür kann ich mich erinnern, den Film „Dach überm Kopf“ (Ulrich Thein, Defa 1980), im Rahmen des Staatsbürgerkunde-Unterrichts in der 9. Klasse im DDR-Kino gesehen haben zu müssen. Neben dem traumatisierenden Auftritt von Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler auf der Brigadefeier ist mir die Darbietung von Udo Schenk positiv in Erinnerung geblieben.
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Onkel Rosebud