Von Onkel Rosebud
Meine Freundin sammelt gern Steine und Fossilien in der Nähe vom Meer. Zugegeben kein ausgefallenes Hobby, aber eins mit Verlass. Sobald sie einen Strand betritt, geht’s ab in die Hocke und dann siebt sie den Sand nach Bernstein, Donnerkeil und Hühnergott. Andy und Lance dagegen pflegen ein außergewöhnliches Hobby. Sie sind Mitglied im Sondengänger-Verein Danebury Metal Detecting Club (DMDS); zwei exzentrische Metallsucher, die auf dem englischen Land nach Vergrabenem suchen. Klingt als Prämisse für eine Serie langweilig? Mitnichten. „Detectorists“ ist eine höchst spannende Sitcom, quasi ein versteinerter Seeigel im Serien-Seetang, schwer zu finden, dafür melancholisch, witzig, bittersüß, herzerwärmend, aber nicht sentimental und gespickt mit Wortwitz und subtilem Humor.
Ausgedacht hat sich die britische Serie (2014-2017) Mackenzie Crook. Den kennt man als Schauspieler (Ragetti in „Fluch der Karibik“ oder Gareth Keenan in „The Office“). Er schrieb und inszenierte die 18 halbstündigen Episoden „Detectorists“ und übernahm die Hauptrolle des Andy Stone, der an der Seite von Lance Stater (Toby Jones) mit Metalldetektoren, die ein wenig aussehen wie Motorsensen, über Äcker und Wiesen wandert, auf der Suche nach Reliquien und nicht zuletzt nach vergrabenen Schätzen. Doch es reicht meist nur zu rostigen Matchbox-Autos.
Auch sonst läuft das Leben im nördlichen Essex eher undramatisch: Lance fährt Gabelstapler und trauert seiner Ex-Frau nach, die den lokalen Manager von „Pizza Hut“ vorgezogen hat. Andy ist zwar studierter Archäologe, verdingt sich aber mit Hilfsjobs, finanziell unterstützt von seiner Frau, einer Lehrerin. Die hat ihrerseits das Gefühl, dass doch mehr im Leben passieren müsste als allabendliches Couchsurfing oder der Besuch im Pub.
In der liebevoll und klug geschriebenen Serie geht es filmisch in aller Ruhe um die großen Fragen und Themen: Was fängt man mit dem Leben an (oder lässt es aus Trägheit eben bleiben)? Wie wichtig sind Liebe und (Männer-)Freundschaft? Es gibt allerlei wunderliche Nebenfiguren, wie eine Truppe von Konkurrenz-Detektoristen aus dem Nachbarort, deren pedantisches Leitungs-Duo optisch zumindest ein bisschen an „Simon & Garfunkel“ erinnert, was Anlässe für schöne „running gags“ mit Songtiteln der Folkmusiker liefert. Oder die anderen leidensfähigen Kollegen des DMDS, dessen Mitgliederzahl hartnäckig im einstelligen Bereich verharrt.
Die Serie wirft einen differenzierten Blick aufs Hinterland. Hier wird die Provinz trotz sattgrüner Wiesen nicht romantisiert als ein Ort des „Hier ist die Welt noch in Ordnung“; aber sie wird auch nicht als spießiger Hort der Hinterwäldler gezeichnet, aller Vereinsmeierei und dörflichen Klein-Kleins zum Trotze. Die Serie wirkt da gleichsam komödiantisch zugespitzt wie aus dem normalen Leben gegriffen.
Und das Serienfinale ist einer der befriedigendsten Abschlüsse der Seriengeschichte überhaupt mit echter Poesie. „Detectorists“ – Unbedingte Anschauempfehlung. Ein hintersinniger Hochgenuss!
Onkel Rosebud