Von Matthias Bosenick (01.10.2022)
Gitarre und Schlagzeug, das klingt doch erstmal nach irgendeiner Art von Rock‘n‘Roll, oder? Nicht für Teen Prime: Das Duo zerlegt den Rock‘n‘Roll und macht auf dem irritierender- und erklärbarerweise „No. 4“ betitelten Debütalbum aus den Trümmern ein abstraktes Mosaik. Ganz frei von Harmonien ist das nun doch nicht, was Sebastian Fäth und Jörg A. Schneider hier improvisieren – auch ohne konkreten Rhythmus oder mitsummbare Melodien bekommt man auf dieser Schallplatte eine Musik, die man angenehm goutieren kann. Und kurz vor Schluss sogar mit Piano dazwischen, dann drängt sich spätestens noch mehr der Gedanke an ein anderes Genre auf: Jazz, und das sicherlich nicht zu Unrecht.
Das Schöne trägt eher Fäth bei, indem er auf seiner unverzerrten elektrischen Gitarre zunächst angenehm unaufgeregt herumgniedelt, während Schneider seinem intuitiv und irrwitzig schnell über sein gesamtes Kit gespielten Schlagzeug freien Lauf lässt und jede Idee von Takt vom Balkon wirft. Was daran so erstaunt, ist die Tatsache, dass das zusammen als Musik funktioniert. Es ist nicht so destruktiv, dass dabei grundsätzlich unhörbarer Lärm oder avantgardistischer Rumpelrock entsteht. Das können die beiden indes auch, und immer dann, wenn Fäths Instrumente knarzen, dröhnen, zirpen, wirkt Schneiders Schlagzeug weniger unstrukturiert – ein schöner Effekt, weil er überrascht.
Die Tracks nun könnten Songs sein, sind es aber nicht. Teen Prime verzichten auf alles Herkömmliche, zerlegen vertraute Strukturen, machen alles anders, als man es kennt, als man es erwartet, schieben die Elemente zerlegt und zerdreht neu zusammen und kreieren so ihre komplett eigene Idee von Musik. Die definitiv eine ist. Dennoch gestattet sie sich auch mal loopartige Sequenzen, in denen etwa Fäth ein Motiv auf der Gitarre kontinuierlich wiederholt; das erweckt fast den Eindruck von Samples. Die gibt es auf dem Album auch, aber anders eingesetzt, nämlich etwa als Chor im Fade-Out eines Stückes. Zu Drums und Gitarren gesellen die beiden Koryphäen kurz vor Schluss noch ganz unerwartet ein Piano – und gönnen sich und den Hörenden noch ein Stück Schönheit. Und untermauern den Gedanken, es vielmehr mit Jazz als mit Noiserock zu tun zu haben.
Teen Prime sind ein Duo der Rätsel, nicht? „No. 4“ als Titel des Debüts, das erinnert an „Vol. 3“ als Titel für das zweite Album der Traveling Wilburys oder „3“ als Titel für das vierte Album der Violent Femmes. Oder gleich an Black Sabbath, wie Krautnick-Autor Guido Dörheide einwirft. Der Hintergrund ist, dass dem Album drei Singles vorangingen, deren Titel sich nun selbst erklären sollten. Zwei davon, „No. 1“ und „No. 3“, gab es mit haptischen Boni als 7“, „No. 2“ ausschließlich digital. Und nicht alle insgesamt sechs Songs sind auf „No. 4“ auch enthalten; dafür gibt es das Stück „Teen Prime“ gleich dreimal. Schick ist dazu überdies auch das Artwork: Die Cover sehen aus wie Rückseiten.
Schneider muss man nicht weiter vorstellen, der enigmatische Schlagzeuger kommt aus dem Noiserock von Les Hommes Qui Wear Espandrillos und veröffentlicht seit einigen Jahren im Wochentakt neue Alben, auf denen er entweder mit Freunden improvisiert oder bei anderen Ensembles als Gast auftritt, etwa jüngst bei Glimmen. Ein Freund der ersten Kategorie ist Fäth, der als malender und zeichnender Künstler unterwegs ist sowie diverse Bands in seiner Biografie stehen hat, darunter Awes, Maw, Kalmäuser, Amigo Tropical, Sheets und Leaf Kickers. Bei letzteren spielte er mit Jens Berger, mit dem wiederum Schneider auch das Jealousy Mountain Duo und Gaffa betrieb. Nächstes Rätsel ist, dass Teen Prime laut Info im Februar 2022 gegründet, die Gitarren für „No. 4“ teilweise aber bereits 2020 aufgenommen wurden. Macht doch nicht solche Sachen mit uns! Oder – doch, macht!