Nikki Lane – Denim & Diamonds – New West Records 2022

Von Guido Dörheide (01.10.2022)

Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht Queens Of The Stone Age höre (die mit „QotSA“ eine der abstoßendsten Band-Abkürzungen haben, nur noch getoppt von „Very Wicked“ aus WOB, ich weiß aber nicht, ob es die noch gibt [im Grunde nicht, aber Sänger Marco Schrieber gründete mit Lars Conrad das Duo FleshTric (Red.)]), aber mit der Musik von Joshua Homme werde ich nicht warm. Der musikverarbeitende Teil meines Hirns wird geflutet mit einem tief empfundenen Gefühl der Langeweile, sobald Meister Homme zur elektrischen Gitarre greift. Und wenn er dann spielt, wird es nicht besser. Also erging es mir mit dem hier rezensierten Werk – und jetzt kommen wir endlich zum Thema, nämlich dem neuen Album der wundervollen Outlaw-Country-Singer/Songwriterin Nicole Lane Frady aus South Carolina, die unter ihrem Künstlernamen Nikki Lane mit „Denim & Diamonds“ ihr viertes Album seit 2011 veröffentlicht hat.

Alles fängt super an, an Schlagzeug und Bass habe ich nichts zu benörgeln, an der dann einsetzenden Stimme Nikki Lanes ohnehin nicht – sie macht bei den ersten Zeilen unmissverständlich klar, dass man es hier mit einer Country-Sängerin zu tun hat, hier wird nicht gesäuselt oder gehaucht, sondern das Anliegen unmissverständlich sowie gleichermaßen überlegen/gelangweilt und hingebungsvoll in Worte gefasst: Lane denkt sich zurück in die guten alten Tage von 1994 (ähem – da war sie 11, aber wurscht, ich bin einiges älter und fühle mich mit 1994 durchaus an meine jüngeren Zeiten erinnert) und haut coole Zeilen raus wie „501 blue jeans, tighter than goddamn Springsteen“. Und dann betritt Joshua Homme die Szenerie und bratzt auf der Gitarre rum, als wäre es sammama 1971 und er wäre Keith Richards. Abgesehen davon, dass ich niemandem wünsche, auch nur ansatzweise der Keith Richards der 70er Jahre zu sein, aber dieses brownsugarmäßige Gitarrengebratze klingt für meine Ohren auf diesem Album nur fehl am Platz und – ja, leider! – langweilig. Auf dem zweiten Stück, dem Titelsong, geht es musikalisch so weiter, aber Lanes Gesang versöhnt auch hier wieder mit allem, ebenso die Lyrics: „I can do whatever I wanna all by my lonesome, If that’s a problem, well, you can’t say shit. ‚Cause I’m going my way, livin‘ and dyin‘ And I can buy my own damn denim and diamonds.“ ist ein starker Refrain und toll vorgetragen allemal. Und die nächsten Zeilen, in denen Lane von ihrem Chef am Telefon zusammengeschissen wird, daraufhin den Weg des geringsten Widerstandes berechnet, einfach auflegt und feststellt, dass das das letzte Mal gewesen ist, dass sie für etwas bezahlt wurde, das keinen Sinn ergibt, sind einfach klasse.

Bereits beim dritten Song fäng das Album dann an, mich zu überzeugen. „Faded“ ist ruhiger als die beiden vorangegangenen Stücke und besticht neben Lanes mit viel Hall aus der Tiefe des Raumes kommendem Gesang mit einer wundervoll klagenden Pedal Steel. Textlich gibt Frau Lane auch hier wieder alles, jede Zeile handelt von Schmerz, Tod und Zerstörung („But I’m faded, melting, dеstruction is running through my blood“) und endet dann mit der Beteuerung, dass die Protagonistin von der Liebe desjenigen, an den sich der Song richtet, einfach nicht genug kriegen kann. Liebe, Schmerz, Zerstörung, Verletzung – hier manifestiert sich auf eindrucksvolle Weise, dass wir es mit Country-Musik zu tun haben. An schmerzvollen Erfahrungen arbeitet sich Lane auch auf den folgenden Songs ab, aber sehr oft führen diese Erfahrungen zu dem Ergebnis, dass es am besten ist, trotz allem sein eigenes Ding zu machen und bei sich selbst zu bleiben, so dass am Ende das Bild einer ziemlich angeschossenen, leicht kaputten, aber starken Person übrig bleibt.

Und was bleibt von Joshua Hommes Versuchen, jedwede Stimmung durch langweiliges elektrisches Geklampfe im Ansatz zunichte zu machen? Das hätte ich beim ersten Hören von „Denim & Diamonds“ nicht gedacht: Zuerst singt Nikki Lane den Gitarrenspieler komplett an die Wand und lässt sich ihre starken Songs von diesem nicht kaputtmachen, und spätestens ab dem dritten Durchlauf erkennt der Rezensierende einen höheren Plan hinter alledem und muss zugeben, dass Musik, Gesang und Texte sich aufs Wunderbarste zusammenfügen, Hommes musikalische Untermalung ergibt auf einmal einen Sinn und das Album wird bei jedem erneuten Hören besser und besser. Was ich deutlich besser finde, als Alben, die beim ersten Hören supertoll sind und sich dann schnell abnutzen und die/den Hörenden ermüden und langweilen. Hier ist es anders. Hatte ich mir am Anfang noch die eher Alternative-/Indie-mäßige Musik von Lanes früheren Alben zurückgewünscht, denke ich inzwischen, dass alles toll zusammenpasst und ich es hier mit einem nachhaltig tollem Werk zu tun habe. Und daher hoffe ich, dass es bis zum nächsten Nikki-Lane-Album nicht wieder fünf lange Jahre dauert.

Am Ende noch ein Anspieltipp, der neu hinzukommenden Rezipienten das Joshua-Homme-Schockmoment erspart: „Chimayo“, das letzte Stück. Wundervoll hingebungsvoll vorgetragen und vorwiegend mit einer ganz hinreißenden Akustikgitarre instrumentiert, inklusive stimmungsvoll hörbarer Griffwechsel. Ein schöner Abschluss und ein Anlass, am Ende nach leider kurzen 33:11 Minuten erneut den Play-Button zu pressen.