Von Matthias Bosenick (05.09.2021)
Das mit der „duften Sache“ kam den Initiatoren schon selbst als Werbebotschaft in den Sinn, dennoch sei der hier zugestimmt. Öffnet man nämlich die „Elemente“-Box von Goethes Erben, verströmt sie einen überraschenden Seifenduft – weil ihr Seife beiliegt. Aus der „Seelenbalsam“-Kollektion von Bandchef Oswald Henke nämlich. Und noch viel mehr, darunter die vier 7“-Singles, die den Titel der Box definieren, sowie eine CD mit sämtlichen Songs und einigen Bonusstücken. Neben Liveversionen von Klassikern sind auch neue Stücke enthalten, und zusätzlich erhärten sie den Ruf nach einer geschmackvoll kuratierten Remix-Sammlung mit Neubearbeitungen von Hits und Kuriositäten aus 30 Jahren Neuer Deutscher Todeskunst.
Den Auftakt der CD macht nämlich Daniel Myers Neubearbeitung des neues Stückes „Spiel mit mir“. Myer betrat 1993 mit dem EBM-Projekt Haujobb die Bühne und machte hernach mit diversen weiteren Aktivitäten von sich hören, allen voran Architect. Ganz unerwartet macht er aus dem ohnehin schon großartigen Original keinen stumpfen Bummbumm, sondern vertieft in über siebeneinhalb Minuten dessen Atmosphäre. Perkussiv und dunkel steigt das Stück ein, bedrohlich wispernd gesellt sich Henkes Stimme dazu, es dauert zwei Minuten, bis sich überhaupt ein Beat herausschält, ein angemessen behutsamer. Man hört „töten“, „schreien“, „Millionenspiel“, und nach der Hälfte geht das Stück in den Refrain über, immer noch wispernd, dann bekommt die Musik annähernd Popqualitäten, schöne Harmonien, sanfte Instrumente, man hört Satzfragmente, „Spaß für alle“, „öffentliches Schlachten“, „wunschgemäß verrecken“, und man weiß, dass man es trotz der wunderschönen Melodie mit Goethes Erben zu tun hat. Auf der 7“ ist der Remix zwei Minuten kürzer, und diese zwei Minuten fehlen dem Song definitiv. Interessanterweise ignoriert Myer, dass Henke im Original seine Stimme alsbald anhebt; der auf einem Demo basierende Remix hat also seine eigene Berechtigung, und es keimt nächstens der Wunsch auf, Henke ließe seinen umfangreichen Katalog dereinst von Künstlern, die Myers Vorgehensweise verinnerlichen, neu bearbeiten, also ohne die plakativen Krawallbrüder aus der Dunkel-und-düster-Szene.
Zudem belegt „Spiel mit mir“, zu wie unterschiedlicher Musik Henkes Darbietungsform so passt. Die warme Elektronik dieses Liedes, die die kühle Elektronik von etwa „Lazarus“ weiterdenkt, ist ein ebenso passendes Gewand für seinen rezitativen Vortrag wie die Begleitung an Flügel, Cello und Percussion auf zwei anderen Liedern dieser Sammlung; hier hatte Henkes langjähriger Wegbegleiter Jochen Schoberth einmal mehr seine kunstfertigen Finger im Spiel. Diese zwei als „Perkussion“ gekennzeichneten Lieder, „Ich möchte fliegen“ und „Fern ab vom Licht“, finden sich auf der CD und den 7“es auch in der Version mit der aktuellen Bandbesetzung, genau wie die vierte Singe „Zeit zu gehen“, und diese Band belegt, wie gezielt geschickt Henke seine Mitstreiter auswählt. Voluminös und voll, auch ohne vordergründigen Synthiekleister, knüpfen sie mit ähnlicher klassikartiger Besetzung wie die „Perkussion“-Versionen direkt an den Sound des vorherigen Albums „Flüchtige Küsse“ an.
Neben dem weiteren neuen Stück „Darf ich bitten“ bietet die CD-Version der „Elemente“ drei neu arrangierte, jetzt noch reifere Klassiker, hier als „Ölbergversion“ markiert: „Zwischenzeit“, „Vermisster Traum“ und „Der Weg“ schlagen eine Brücke von Anfang zu Ende der ersten Inkarnation der Goethes Erben, bis zur Unterbrechung vor 14 Jahren. Ein schöner Überblick also über fast 30 Jahre Goethes Erben also, die CD, und das im Ablauf nicht sklavisch nach den A- und B-Seiten plus Bonus strukturiert, die ähneln sich dafür dann doch zu sehr, sondern abwechslungsreich gemischt.
Die vier 7“es also repräsentieren die vier Elemente, irgendwoher muss die Box ja ihren Namen haben. Henke finanzierte die Produktion vermittels von Songpatenschaften, die im Booklet aufgelistet sind. Neben den Singles, der CD und der Seife finden sich in dem üppig bestückten Karton auch Buttons, Sticker und Karten. Eine spannende Art, sein künstlerisches Fortbestehen finanziell abzusichern, wenn es mit Livekonzerten aufgrund einer pandemischen Situation nicht möglich ist. Aus diesem Grunde verschob Henke auch die Produktion des geplanten Albums „X“, dem offiziell zehnten der Goethes Erben also: ohne Auftritte weniger Verkauf, das bestätigen Kreative rund um den Globus. Die reine CD-Version der „Elemente“ will Henke später bei Konzerten anbieten, und auch ohne das dufte Brimborium lohnt die unbedingt. Einige Konzerttermine bestätigte Henke für den Herbst bereits. Auf der Bühne ist der schwarzhumorige Theaterkünstler schließlich in seinem Elemente.