Von Matthias Bosenick (28.07.2021)
Was haben Herbert Grönemeyer, Helmet und Killing Joke gemeinsam? Sie sind Teil eines Tribute-Albums! Wie nun aber nähert man sich solchen Vorreitern wie Gang Of Four, wenn man dazu angehalten ist, sich ihres Oeuvres in ehrerbietender Form anzunähern? Im Jahr Eins nach Andy Gills Tod sammelt sein Label 20 Neueinspielungen und Interpretationen der Indierockerfinder, die der Chef noch selbst in Auftrag gegeben hatte. Interessanterweise sind die Hauptnutznießer dieser Vorreiterschaft, nämlich die Indiediscoepigonen der Nullerjahre, hier gar nicht vertreten. Nicht einmal ausschließlich Postpunks und Indierocker sind ausgewählt, auch Electrospielereien, Dub und Trip Hop bilden das neue Gewand der in Insiderkreisen altvertrauten Hits. So gemischt ist auch das Ergebnis, wenngleich den meisten doch vor lauter Ehrfurcht der künstlerische Mut abgeht. Das Cover ist ebenfalls gemischt, der Plüschhund hat unzählbar viele verschiedene Farben, das ist hübsch.
Einige der Beitragenden erkennt man gar nicht am Sound: Von Tom Morello und Serj Tankian, die sich „Natural’s Not In It“ vornehmen, erwartet man natürlich einen brutalen Hüpfemetalsong mit unerwarteten Breaks, bekommt aber eigentlich nur eine satter gespielte Version des Originals Aber warum nur! Auch Helmets Version von „In The Ditch“ klingt eher zahm, abgesehen von den geschredderten Gitarren, die doch nur den Sound der Gang Of Four aufnehmen. Aber nix von Stop-And-Go-Riffs und Bassgrooves zum Halsbrechen. Als Vergleich ziehe man Helmets Version von Björks „Army Of Me“ oder Black Sabbaths „Symptom Of The Universe“ heran, aber das war ja alles auch noch die alte Besetzung von vor dem Split und der Reunion. The Dandy Warhols klingen eher elektronisch und ebenfalls zahm, wenngleich in ihrem „What We All Want“ der Bass munter und ansprechend slappt. Hingegen sehr nach den Red Hot Chili Peppers klingt „Not Great Men“ aus dem Studio von Flea und John Frusciante, die einem Jugendchor den Platz am Mikro überließen und für den funky Poprocksound mit künstlichen Handclaps sorgen. Geht mehr als nur in Ordnung.
Wenn man schon covert und vom Pfad abweicht, dann lieber wie 3D von Massive Attack mit dem Popduo Nova Twins, die „Where The Nightingale Sings“ zu einem dunklen Trip-Hop-Monster mit Gitarrensamples und abgrundtiefen Beats machen. Die zerhackte Struktur des Songs und die Altstimmen in Kombination mit den sägenden Gitarren ergeben einen schwarzfunkelnden Diamanten und das erste Highlight der Compilation. Ähnlich düster und elektronisch, aber mehr auf Durchgängigkeit bedacht ist „Love Like Anthrax“, das DJ Ade Fenton mit Gary Numan zu einem schönen Wavepopstück umgestaltet. Nicht die erste Kooperation der beiden, die bereits 2014 den Soundtrack zu „From Inside“ einspielten. Kaum weniger dunkel gerät das ohnehin schon fatalistische „We Live As We Dream, Alone“ von Bassistin (und David Bowies Ex) Gail Ann Dorsey, deren Instrument ihre auch eher synthetische Version hauptsächlich trägt. Ebenfalls ins Dunkle driftet Warpaints „Paralysed“; die Rockband kommt hier als solche gar nicht zum Tragen, so chillig-düster, wie der zerbrechliche Song erklingt.
Für „To Hell With Poverty“ beweist 布袋寅泰 alias Tomoyasu Hotei, bekannt vom Soundtrack von „Kill Bill“, dass er die Gitarre so spielen kann wie im Original, nur dass er dem Rest des Songs einen synthetischen Beat und Frauengesang verabreicht. Der sehr gut passt, anders als der von Herbert Grönemeyer, der mit DJ Alex Silva und seinem deutschen Akzent „I Love A Man In Uniform“ zu einem Achtziger-Popsong umdenken darf. Die Musik ist besser als bei Grönemeyer üblich, an die Stimme muss man sich in diesem Kontext trotzdem gewöhnen. Aber egal, der Mann macht sich stark für gute alte und neue Musik, das sei ihm in höchsten Tönen lobend zugute gehalten. Die Schwedischen The Sounds nehmen sich ebenfalls „I Love A Man In Uniform“ vor und dem Stück das originale Synthetische. Sie verflachen ihn zu einem radiotauglichen Poprocksong, bei dem der Frauengesang punktet; erst gegen Ende packen sie ihren eigenen Synthie aus, generieren eigenständige Sounds, ohne das Original zu kopieren, und grätschen sogar noch mit einer Gitarre dazwischen.