Von Matthias
Bosenick (29.07.2019)
Der sicherste Anwärter auf den
Posten „Album des Jahres 2019”: Auf ihrem dritten offiziellen
Album „Onda“ entwickeln Jambinai ihren ohnehin schon
eigenständigen Stil weiter, verfeinern ihn, fordern die Hörer noch
mehr heraus. Einsortiert unter Metal, steuert die Band aus Seoul
heuer vielmehr in Richtung Post Rock – und gibt den traditionellen
Südkoreanischen Instrumenten noch mehr Raum als zuvor. Wer moshen
will, muss zuhören können. Und wer das tut, erlebt ein
musikalisches Abenteuer, wie es kompromissloser ist als so viele
andere.
Strenggenommen müsste man von Crossover sprechen: Das Trio orientiert sich grundsätzlich am Rock’n’Roll des Westens, dargeboten mit Gitarre, Bass und Schlagzeug, produziert damit aber eine Musik, die selbst im Westen nur wenige Anhänger hat, nämlich eruptiven, schier brutalen Post Rock mit Schlagseite zum Heavy Metal. Zusätzlich integrieren Jambinai traditionelle Folklore-Instrumente ihrer Heimat in den Sound, solche wie Haegeum (ein zweisaitiges Streichinstrument), Piri (ein Doppelrohrblattinstrument wie die Oboe), Geomungo (eine Art Zither), Saenghwang (eine große Schilf-Mundorgel) und Janggeum (ein gehämmertes Hackbrett). Dieser Mix ist einzigartig, hüben wie drüben, und weil Einzigartigkeit allein noch kein Qualitätsmerkmal ist, sind Jambinai auch noch herausragend gut.
Jambinai spielen nicht auf Tempo, eher auf Energie; die dynamisch-rockigen Passagen sind kraftvoll und durchsetzt von repetetiven, für ungeübte Ohren wohl auch nervigen Tönen, die die Band mit den koreanischen Instrumenten erzeugt. Die spielen nun mal auf anderen Frequenzen und anders intoniert als westliche Vergleichsinstrumente, da muss man sich eben dran gewöhnen. Und zwischen die härteren Sequenzen plazieren Jambinai sehr gern, auch schon auf den vorherigen Alben, atmosphärische Passagen, die sie ausschließlich mit dem traditionellen Instrumentarium erzeugen. Damit unterbrechen sie den Hörfluss und lassen „Onda“ nicht zu einem reinen In-die-Fresse-Werk verkommen. Was bedeutet, dass sie damit niemanden ausschließlich bedienen, denn Folklorepuristen dürften sich auch an den schwermetallischen Tracks stoßen. „Onda“ verlang also Offenheit von allen Seiten und für alle Seiten.
Ein Zugeständnis an den Westen gibt es indes auf diesem Album: Mit spärlich eingesetztem Gesangseinsatz verlassen Jambinai das Instrumentalbanddasein, vermutlich mit dem Ansinnen, den Zugang zur Musik zu erleichtern; das wäre nicht nötig gewesen, weil diese auch mit Gesang immer noch speziell genug ist und der Gesang einmal sogar beinahe eher stört. Damit hat es sich auch schon mit Kritikpunkten.
Man kann sich vortrefflich tragen lassen von diesem Wechsel der Stimmungen, vom energisch-energetischen Aufbegehren zum ausgepowerten Runterkommen und zurück. Es dürfte kaum noch Chancen geben, dass „Onda“ von der Nummer Eins der Jahrescharts der besten Alben verdrängt wird. Schon gar nicht von The Hu, die ihre mongolischen Wurzeln als Verkaufsargument in einen komplett westlich strukturierten Metal einbetten und damit etwas kaum Überraschendes, aber dafür Massenkompatibles mit Exotik kreieren.
Das Doppel-Vinyl ist übrigens weiß und längst vergriffen. Ein Downloadcode liegt bei. Aber auch auf allen anderen Darreichungsformen ist „Onda“ empfehlenswert.