Radiohead – A Moon Shaped Pool – XL Recordings 2016

Von Matthias Bosenick (18.10.2016)

Endlich ist auch die speziell verhüllte Vinylversion des jüngsten Radioheadwerkes draußen: Als Doppel-LP im wunderschönen Album mit Buch und sogar zwei CDs, zwei Bonustracks mithin. Das können Radiohead, Wertanlagen schaffen. Und gute Musik: Erfolgreicher kann komplexe progressive kreative eigensinnige Rockmusik dieser Tage einfach nicht sein. Was seltsam genug ist. Welt, hör Qualität! Die bekommst Du auch auf „A Moon Shaped Pool“, aber einmal mehr anders dargereicht als noch zuvor. Ruhiger nämlich. Mit weniger verstörenden Geräuschen und Experimenten. Aber auch mit noch weniger Rockmusik. Die Musik ist träumerisch, aber nicht leichtfüßig: Das Dunkle lauert überall. Darauf muss man sich einlassen können. Und dabei entspannt im Büchlein blättern. Und sich über „Spectre“ auf CD freuen.

Radiohead haben sich schon lange vom klassischen Popsongformat verabschiedet. Vom Rock inzwischen auch: Mit der Vorabsingle „Burn The Witch“ startet das Album, und effektreicher als dieser Song mit Pizzicatogeigen, einem verschleppten Beat und einem unterschwelligen Streichersturm in dem Teil, der anderen wohl als Refrain dienen dürfte, wird kaum ein weiterer Song. Thom Yorke setzt seine Stimme zusehends mehr wie ein weiteres Instrument ein, Lieder im herkömmlichen Sinne singt er seltener.

Die Streicher bleiben „A Moon Shaped Pool“ über die Spielzeit erhalten, das Piano gesellt sich dazu, das Schlagzeug (oder was davon übrig ist) dringt in den Hintergrund oder verschwindet ganz. Zwar ist die Atmosphäre eher ruhig, aber nicht entspannend; dafür sind die Melodien und Sounds zu beklemmend. Mit „Decks Dark“ schwenken Radiohead einmal in die Rockmusik und „Ful Stop“ lässt als einziges die Nervosität durchsickern, die vorherige Stücke wie „Videotape“, „Myxomatosis“ oder „Morning Mr Magpie“ aus der Zeit nach „OK Computer“ selbst für Radiohead so außergewöhnlich machten. „Identikit“ kitzelt am artifiziellen Pomp, „The Numbers“ an der dunklen Popballade. Das Album ist schön, aber vergleichsweise verhalten. Schön auf dunklem Niveau: Der durchschnittliche Coldplayhörer wird an Radiohead sicherlich immer noch verzweifeln; umso verwunderlicher ist es, dass deren Musik trotzdem so immens breitenwirksam ist.

Die Special Edition enthält das Album auf CD und zwei Schallplatten. Außerdem blättert man in 32 Seiten Kunst und kann sich an einem Schnipsel des Magnetbandes erfreuen, auf dem Radiohead wohl das Album aufnahmen. Reizvoll, wie schon bei der „In Rainbows“-Box, ist die Bonus-CD mit allerdings nur zwei Liedern. Eines davon ist „Ill Will“, das mit psychedelischem Hauch die Stimmung des Albums aufgreift, und das andere „Spectre“, Radioheads abgelehnter Vorschlag für den James-Bond-Titelsong. Den gab es zunächst als Gratisdownload, dan als B-Seite der schnell vergriffenen und hernach schweineteuren Single von „Burn The Witch“ und eben nun in der nicht minder günstigen Spezialversion des mondförmigen Beckens. Muss spannend sein, darin bei Neumond zu baden.