Oslo Tapes – Staring At The Sun Before Goin‘ Blind – Peyote/Sound Effect/Echodelick/Grazil 2023

Von Matthias Bosenick (03.01.2024)

Anders, als es der Name Oslo Tapes vermuten lässt, kommt diese Band aus Italien, aber auf Tape gibt es deren viertes Album „Staring At The Sun Before Goin‘ Blind“ unter anderem auch. Zu hören bekommt man wunderschönen Postrock, Shoegaze, Wave, psychedelische Hacienda-Musik, zumeist wattiert und im verminderten Tempo gehalten, dennoch durchgehend groovend und mit dezenten Ausflügen ins Bratzige. Reichlich retro, aber wunderschön zusammengefügt.

Die Band, die eigentlich gar keine ist, spricht im Zusammenhang mit diesem Album von Krautrock, doch trifft das höchstens als Impuls zu, nicht in der Auswirkung. Die ist vielfältiger und anders gelagert: Los geht es mit wavigen Cure-Gitarren, einem die gesamte Spielzeit beibleibenden zurückgenommenen Gesang und einer watteweichen Shoegaze-Anmutung, „Gravity“ fehlt hier, es geht schwerelos zu, und auch der kurze Tempo-Anstieg in „Ethereal Song“ täuscht nicht über das Verträumte hinweg. Erst die Vorab-Single „Déjà Neu“ schält den Groove aus der Watte heraus, trocknet den Sound aus, kehrt den Rock hervor; das Stück ist langsam und dennoch intensiv, beschleunigt auch mal, bekommt psychedelisch-noisige ebenso wie elektronische Anteile und erinnert mit dem Shaker zur Gitarre an die alten Mercury Rev. Das Stück bereitet bestens vor auf „Reject Yr Regret“, den Madchester-Disco-Dancetrack mit der hyperaktiven hellen Snare; etwas „The Fly“ von U2 klingt hier außerdem an.

Die B-Seite startet wieder zurückgenommen, „Like A Metamorphosis“ vermengt traumhaften Shoegaze mit Pink Floyd, eine Orgel ergibt das Sahnehütchen. Im flotten postrockig wavenden „Middle Ground“ endlich erklingt der stoische Beat, den man mit dem Krautrock assoziiert; das Stück reißt mit und umklammert die Hörenden mit Groove. Warm und voluminös, pulsierend sowie von Chören begleitet gestaltet sich der „Somnambulist’s Daydream“, in dem unter anderem auch eine Cure-Gitarre vorkommt. Bevor man unendlich in diesem Groove versinkt, reißt einen das Titellied aus der Kontemplation, nur um dorthin sofort wieder zurückzukehren: Die zunächst bratzig erscheinende Gitarre bekommt schnell wieder eine Wattehülle, eine dezidierte Keyboardmelodie umschlingt dieses Stück Trance, My Bloody Valentine gucken kurz um die Ecke, alles ist so wunderschön, dass es glücklich macht.

Nun ist Oslo Tapes keine wirkliche Band, sondern das Projekt des Produzenten Marco Campitelli, der für jedes Album ein anderes Musikerteam um sich schart. Dieses Mal sind dies: Mauro Spada von Buen Retire und Ulysse, der auch am Vorgänger „Ør“ beteiligt war, am Bass, Davide Di Virgilio, ebenfalls bereits auf „Ør“ zu hören, am Schlagzeug, Stefano Micolucci von The Marigold an Bass und Kontrabass, Federico Sergente alias Wampraccio von der Band Zippo mit Percussion sowie Nicola Amici alias Kaouenn alias Nick Droga von Bands wie Barabba, Butcher Mind Collapse oder Lebowski an Gitarren, Synthies und Percussion. Gäste sind Cellist Tobias Vethake alias Sicker Man von den Berliner Bands Trialogos, Mini Pops Junior und The Sticky People sowie Schlagzeuger Dahm Majuri Cipolla von den japanischen Postrockern Mono.

Viele Köche, aber ein äußerst schmackhafter Brei. Nicht der erste: Der bei Pelagic Records erschienene Vorgänger „Ør“ erschien 2021, die Alben davor waren „Tango Kalashnikov“ im Jahre 2015, unter anderem von Toten Schwan Records aufgelegt, sowie zwei Jahre davor das selbstbetitelte Debüt.