Nevermen – Nevermen – Lex/Ipecac 2016

Von Matthias Bosenick (24.02.2016)

Hm. Da kriegen die Nevermen, das Trio mit vier Leuten, Vorschusslorbeeren sondergleichen, weil ihr Debütalbum so einen wirren Stilmix aufweist. Alles kreuz und quer, von Hip Hop bis Metal, heißt es. Wie kommt man nur auf all diese Sachen?, fragt es. Dergestalt angeheizt, führt man sich die LP zu Gemüte. Und nochmal. Und nochmal. Und kommt nicht umhin, festzustellen, dass es zwar ein sehr hübsches Popalbum ist, aber die Songs in sich so homogen sind wie nur irgend möglich. Seriösere Gorillaz vielleicht, synthetische Beats und Sounds mit Rockattitüde. Gerade ein Mike Patton als einer der drei Sänger (mit Tunde Adebimpe und Doseone) hat schon deutlich schrägere Platten gemacht. Das ist zwar enttäuschend, aber dann freut man sich eben über dieses ernsthafte Popwerk. Auch nett.

Was hätten wir denn da bereits auf der Seite von Mike Patton, das in diese Richtung geht: Dub Trio, General Patton vs. The X-Ecutioners, The Qemists, Lovage, Peeping Tom; und bei letzteren war auch Doseone schon dabei. Der wiederum, gebürtig Adam Drucker, gehört unter anderem zum Ensemble Themselves, das mit The Notwist das Projekt 13 & God bildete. Und Tunde Adebimpe bringt als Sänger von TV On The Radio den massentauglichen Pop mit ins Trio. Klingt wie eine wilde Mischung, ist es im Ergebnis aber nicht.

Vielleicht sind die einzelnen Elemente, die das Trio angeblich in acht Jahren mühsam zusammenschichtete, jedes für sich gehört nicht zueinander passend. Das nimmt man aber im Ergebnis nicht wahr, denn als Songs ergeben sie jeweils ein glattes Bild. Als Album auch. Die Beats sind kein Stück hart, die Gitarren auch nicht. Ab und zu ist eine der drei Stimmen mal etwas härter ins Mikro gepresst, aber das war’s dann auch. Meistens singen sie zusammen oder abwechselnd wunderschöne Melodien. Immerhin, das ist auch eine Kunst. Maximal ist der Sound gelegentlich übersteuert, das ist das einzig Harsche. Und manche Samples klingen wie in 56 kbps kodiert. Die Beats sind mal Hip-Hop, mal Rock, mal Reggae, mal meistens einfach irgendwie Pop. Und wo ist da jetzt die Avantgarde, das Experiment, das Besondere?

Es mag ja sein, dass es ein Album genau wie dieses noch nicht gibt. Dafür kennt der Rezensent die aktuelle Chartslandschaft nicht gut genug, weil sie ihn langweilt. Vielleicht ist „Nevermen“ ja die bessere Chartsmusik, weil weniger oberflächlich. Dann hat das Album ja wenigstens etwas geleistet. Vielleicht erreicht es ja den tumben Großraumdiscotänzer, der sich sonst keine Qualitätsmusik anhören würde. Der Bekehrte indes zuckt die Schultern und hört The Young Gods mit Dälek.

Ach ja, der vierte Mann im Trio: Das ist Keith Tyson, der das Artwork zum Album machte. Das ist ganz hübsch: Die LP steckt in einem zweifach klappbaren Gatefold, das in einem Plastikschuber steckt. Amtlich. Und dann der Hit: Man zahlt Mitte 20 Euro dafür – und bekommt noch nicht mal einen schäbigen Downloadcode. Die LP selbst steckt zudem in einem billigen Papiersleeve. Ein schnöder Bruch, ein unnötiger zudem.