Mrs. Piss – Self-Surgery – Sargent House 2020

Von Matthias Bosenick (04.10.2020)

Noch so ein herausragendes Beispiel dafür, welche Wucht die Musik von nur zwei Leuten haben kann: Mrs. Piss sind Chelsea Wolfe und Jess Gowrie, die mit „Self-Surgery“ ein unmittelbares Minialbum auf die Fressen der Hörer loslassen. Jeder der acht Tracks bedient ein anderes Genre, einig ist ihnen, dass keiner Fröhlichkeit ausstrahlt – alles ist Wut, Wucht, Wumms. Das Vinyl ist dem wenig goutierbaren Bandnamen und dem trefflich geschmacklosen Cover entsprechend in schwarzgelbem Splatter gehalten mit einem Etching auf der B-Seite versehen – als wäre die Musik nicht schon Kaufgrund genug.

Da steckt so viel drin, auch in so kurzer Zeit: Punkrock im DIY-Sinne, Doom-Metal, Industrial-Metal, Experiment. „Knelt“ schleppt sich in bester Sludge-Manier durch die Boxen, „Nobody Wants To Party With Us” beginnt mit einer Electrosequenz und mostet dann los, getragen von catchy Gesangsmelodien. In „You Took Everything“ lässt Gowrie ihr Schlagzeug in Led-Zeppelin-erprobten Hallräumen wuchten, bis es in Black-Metal-Blastbeats mündet, „M.B.O.T.W.O.“ trägt die Erinnerung an Black Sabbath. Und über allem schweben die warmen, beinahe atmosphärischen Stimmen von Wolfe und Gowrie, die erstaunlicherweise weniger angepisst singen, als sie musizieren.

Die beiden Musikerinnen starteten das Projekt bereits 2017 während der Tour zu Wolfes vorletztem Album „Hiss Spun“, doch sind sie gemeinsam schon viel länger aktiv, in den Nullerjahren nämlich in dem Trio Red Host. Der Dritte aus jener Runde, Ian Bone, spielte später auch gelegentlich auf Wolfes Solo-Alben mit. An Wolfes jüngsten Album „Birth Of Violence“ war Gowrie dann auch wieder beteiligt – recht produktiv, die beiden.

Rein weiblich besetzte Bands sind leider selten, insbesondere im Gitarrenbereich. L7 und die Babes in Toyland klingen an, die ebenfalls mit verzerrten Instrumenten ihre Meinung kundtaten, oder auch Riot-Grrrl-Bands wie Sleater-Kinney, Bikini Kill, Team Dresch, Wild Flag und Le Tigre, auch Pussy Riot und natürlich nicht zu vergessen Joan Jett. Nur dass man es hier lediglich mit einem Duo zu tun hat, das in seiner musikalischen Schlagkraft den Bandformaten in nichts nachsteht.

Besonders charmant ist natürlich das Vinyl: Einseitig bespielt, ist der Bandname auf der B-Seite als Etching auf dem schwarzgelben Splatter zu erkennen. Dafür nimmt man es gern in Kauf, dass die Musik selbst nur knapp 19 Minuten Platz einnimmt. Und man hofft auf eine Fortsetzung des Projektes.