Heltekvad – Morgenrødens Helvedesherre – Eisenwald 2022

Von Matthias Bosenick (22.04.2022)

„Medieval Black Metal“ versprechen Heltekvad, „Heldenepos“, auf ihrem Debütalbum „Morgenrødens Helvedesherre“, und diese Selbstbezeichnung führt etwas in die Irre: Erwartet man die Verquickung von Strukturen aus Mittelaltermucke und Schwarzmetall, stellen Heltekvad diese Stile bestenfalls gegeneinander und behandeln ansonsten in den Texten mittelalterliche Themen. Aus diesem Blickwinkel darf man das Album als Enttäuschung auffassen, weil es den erwarteten Crossover nicht bietet. Dafür aber extrem knackigen Oldschool-Black-Metal, mit der genrespezifischen Kälte, hohem Gekeife und flirrenden Gitarren bei aberwitzigem Tempo. Dennoch: Bei Solbrud fehlt Sänger und Gitarrist Ole Luk, die er zugunsten dieser Band und seines anderen Projektes Afsky verließ.

Und wie Luk keift! Atemlos durch die Schlacht, langgezogene Vokale, höchste Tonlagen, als wäre er der gleichzeitig von Lanze, Pfeil und Schwert getroffene Ritter, der hinter seinem durchlöcherten Schild zusammensackt und nochmal schnell auf Albumlänge sein Testament und Vermächtnis in den allgemeinen Blutrausch kreischt. Und vermutlich den ein oder anderen Fluch gegen so manche Zeitgenossen. Die Musik des Trios passt sich dem an, die Gitarren flirren ebenfalls überwiegend in höheren Lagen, sofern sie nicht rhythmische Riffs einstreuen. Was durchaus geschieht, da sind Heltekvad so etwas wie progressiv und schieben immer wieder unerwartete Breaks und kurze atmosphärische Passagen in ihre Tracks, was diesen ungemein guttut und was belegt, wie gut die drei Musiker sind, in Sachen Komposition und Spiel. Bis hin zum Rausschmeißer „Døden står ved himmelens port“, der nicht nur mit seinem fröhlichen Mittelteil beinahe poppige Strukturen beinhaltet. Und rasselnde Schwerterklingen!

Allein, dass der Black Metal sich eben – man mag es kaum so nennen, aber: einfach wie klassischer Black Metal gestaltet, ist etwas bedauerlich. Das Mittelalterliche beschränkt sich auf einige Samples, mal kurz an Anfang oder Ende eines Songs angepappt, mal wie der Mönchschor in „Eder og Hæder“ im Hintergrund mitlaufend, mal als Sound eingeflochten. Eine komplette Verquickung der Genres jedoch nehmen Heltekvad nicht vor: Zu erwarten war etwas, das analog zu beispielsweise Dead Can Dance mittelalterliches Instrumentarium mit Black Metal kreuzt und aus jahrhundertealten Tonfolgen, die heutigen Ohren höchstens von metseligen Mittelaltermärkten vertraut sind, metallische Melodien hervortreten lassen. Sollte dies tatsächlich dennoch auf „Morgenrødens Helvedesherre“ der Fall sein, ist dies gut unter einer doch eher üblichen Black-Metal-Decke verborgen. Was nichts daran ändert, dass der Black Metal auf diesem Album für sich gesehen gut ist, nur eben die Erwartungen nicht erfüllt.

Parallel zu seinem Abschied bei der Kopenhagener Black-Metal-Instanz Solbrud zieht sich Luk hiermit vollends auf seine eigenen Projekte zurück. Und schart vertraute Leute um sich, denn beide Mitstreiter bei Heltekvad sind auch bei Afsky mit ihm verbunden: Simon Skotte Krogh spielt Bass und Gitarren, Simon Frenning Sørensen das Schlagzeug. Dabei ist Afsky ursprünglich ein Ein-Mann-Projekt von Luk, so etwas ist ja beinahe klassisch im Black Metal, aber nach dem ersten Demo transferierte er es auf die Bühne und scharte dafür natürlich Leute um sich; das hochgradig gute Album „Ofte jeg drømmer mig død“ spielte er bis auf einige Schlagzeugspuren (die besorgte Martin Haumann, der auch live bei Myrkur trommelt) dennoch komplett allein ein. Somit ist Heltekvad seine derzeit einzige vollwertige Band, in der er spielt; die beiden Simons an seiner Seite sind und waren in Kopenhagen außerdem aktiv in Bands wie Sunken, Arescet und Møl (Skotte Krogh) sowie Morild (Frenning Sørensen), während auf Luks biografischem Zettel noch die kurzlebige Band Yea And The Moon steht, bei der er überraschenderweise Schlagzeug spielte.

Der schön gestalteten und goldenen LP liegt ein Textheft bei, in dem man die Geschichte hinter „Morgenrødens Helvedesherre“ nachlesen kann. Auf Dänisch natürlich. Der „Höllenherr der Morgenröte“ hat bestimmt einiges zu erzählen; das genreimmanente umgedrehte Kreuz auf dem das Cover zierenden Gewand des Ritters deutet in eine Richtung, die die Songtitel nicht unbedingt aufgreifen, denn die lauten „Die Offenbarung der Morgenröte“, „Respektvoll ist derjenige, der gewinnt“, „An der Klinge des Schwertes wirst du zugrunde gehen“, „Eide und Ehrungen“, „Leugne deine Abstammung“, „Du schicksalhafter Moment“ und „Der Tod steht am Himmelstor“, bedienen vordergründig also doch eher mittelalterliche Schlachtenthemen, pathostriefend. Und die kann man ja nur kreischen und keifen!