Die drei Fragezeichen: Phonophobia – Live in der VW-Halle in Braunschweig am 2. April 2014


Von Matthias Bosenick (03.04.2014)

Aus „Der Seltsame Wecker – Live And Ticking“ haben sie gelernt: Die vorherige Live-Tour der Drei-Fragezeichen-Sprecher plättete den Zuschauer mit ihrem Technik-Overkill. Die neue, nunmehr dritte Show „Phonophobia“ stellt quasi das Bindegleid zwischen dem Debüt „Master Of Chess“ und dem Wecker dar: Technik gibt es noch, aber im Mittelpunkt der eigens verfassten (und fast unmerklich dünnen) Geschichte stehen die drei Charaktere mit ihren schlagfertigen Dialogen. Man kann fast sagen: Im Rahmen der Möglichkeiten hat das Team alles richtig gemacht.

Die Darbietung konzentriert sich in der ersten Hälfte voll auf den Fall, erst in der zweiten Hälfte wird es mehrschichtig. Justus, Peter und Bob stranden nach einem Heißluftballon-Absturz auf einem Plateau nahe Rocky Beach. Dort geraten sie in das obskure Institut einer Herrn Yamada, der synästhetisch veranlagte Musiker für seine Zwecke missbrauchen will: Mit „Phonophobia – Sinfonie des Grauens“ will er an seinem Vater, seinen Kritikern und seinen Spöttern tödliche Rache nehmen.

Die drei Detektive haben dabei weniger zu ermitteln, als Abenteuer zu bestehen. Sie sehen sich mit einer Armbrust-Schützin konfrontiert, fliehen aus einer Schrottpresse und gleiten eine stillgelegte Seilbahn herab. Dazwischen diskutieren sie auf Basis ihrer uralten Charaktere und erzeugen damit unterhaltsame Dialoge und humorvollen Wortwitz. Die ganze Handlung ist auf die Interaktion der drei Fragezeichen ausgelegt. Zwar birgt die Geschichte damit zunächst weniger Gags, punktet aber in Sachen Zusammenspiel. Natürlich sind Sequenzen wie „mittleres Schieferblau“ und der Kuss von Justus an Peter fantastische Schenkelklopfer, aber nicht Zentrum des Ganzen.

In der ersten Hälfte ist auch der Nostalgie-Faktor angenehm reduziert. Nur zwei alte Folgen werden genannt: das „Bergmonster“ – und Computerstimme „Mund“ outet sich als ???-Fan, mit einer Einschränkung: „’Angriff der Computerviren‘ war grauenhaft.“ Der Fall kommt zwar im Grunde ohne die inwzischen nervigen Rätseltexte aus, aber nicht ganz: „Mund“ stellt ihnen ein Rätsel, mit der selbsterfüllenden Begründung „Weil ihr die drei Fragezeichen seid“, und gibt ihnen für die Lösung lediglich eine Minute Zeit.

In der zweiten Hälfte ändert sich der Tenor. Die Story führt die drei Detektive an den Schauplatz ihres in den USA ersten und in Deutschland elften Abenteuers zurück: das Gespensterschloss. Als die eigentlichen Jugendlichen einen Verfolger mit dem Stein zerquetschen, insistiert Peter: „Bei den drei Fragezeichen gibt es keine Toten“, woraufhin Justus sämtliche Folgentitel mit „Tod“ aufzählt – es sind nicht wenige. Peters Einwand, „wie soll man denn dabei einschlafen“, bekommt tosenden Applaus. Justus spult das Band zurück, der Täter kommt milder davon.

Danach begeben sich die Sprecher auf die Meta-Ebene. „Wie viele Jahre waren wir nicht mehr hier?“, fragt einer der drei Jungdetektive. Bobs Antwort: „34.“ An einer besonders gruseligen Stelle sagt Bob: „Da sitzt’n Geräuschemacher.“ In der Echo-Kammer ertönen die kindlichen Stimmen aus frühen Folgen als Echo. Besonders gelungen ist die Meta-Sache, wenn sie als Teil der Geschichte stattfindet: „Wir sind auf einer Bühne“, stellt Justus handlungsbedingt korrekt fest. „Und da ist noch Publikum.“ Auf das geht Bob einmal ein, als er Peter und Justus fragt, was denn im Gespensterschloss das Besondere sei, und jemand Peters Antwort „Die Orgel“ vorwegnimmt: „Da hat wer vorgesagt.“

Erstaunlich ist wie immer, dass albernes Herumhampeln immer für die größten Lacher sorgt. Wie auch beim Vollplaybacktheater, gibt es die größte Resonanz, wenn die Akteure zu einem stumpfen Beat tanzen. Auch der uralte Gag mit der Fischaugenkamera ist nicht totzukriegen; da ist das Verhalten der Sprecher aber in der Tat sehr komödiantisch. Dafür überhören viele der 6000 Zuschauer die zugegebenermaßen sehr subtile Anspielung auf „2001: Odyssee im Weltraum“, als man Computergehirn „Mund“ herunterfahren will, „bis er nur noch ‚Hänschen klein‘ singen kann“.

Der Schluss wirkt sehr überkandidelt, ist aber mit Justus‘ Maßnahme witzig und plausibel. In der Zentrale gibt es anschließend nicht nur Tante Mathildas Kirschmuffins, sondern auch das typische Kreissägengeräusch, live gespielt von Jörg Klinkenberg. Dessen Geräuschemacherqualitäten bekommen sogar eigene Passagen, und das mit allergrößtem Recht.

Übrigens fällt gar nicht auf, dass die Folge komplett ohne Erzähler auskommt. Im Gegenteil, dadurch hat sie mehr Dynamik. Die Musik kommt zudem nicht vom Band, sondern von einer Band, und Saxophonist Tilman Erhorn stellt sich als gebürtiger Braunschweiger heraus. In Sachen Technik trumpft die Show zwar mit einer beweglichen LED-Wand auf, setzt die aber so spärlich ein, dass sie nicht zum Zentrum des Geschehens wird. Sie untermalt, sie lenkt nicht ab. So muss es sein, denn ganz ohne kommt man wohl nicht mehr aus. Gut gelöst!

Die Grundidee der Geschichte stammt von Kari Erlhoff, ihr Buch „Sinfonie der Angst“ ist bereits erhältlich. Regisseur Kai Schwind wandelte die Geschichte für die Bühne etwas ab. Nun ist davon auszugehen, dass Sony die Show bald auf DVD kommerziell ausschlachtet. Macht nix, wird gekauft – im Gegensatz zum USB-Stick zur Show: Der ist zwar großartigerweise im Stile einer Kassette verpackt, kostet aber 25 Euro.

Phonophobia“ ist in Sachen Live-Umsetzung ein Schritt in die richtige Richtung. Als Fan fühlt man sich belohnt; man schließt die drei Fragezeichen nur noch fester ins Herz.

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