Die Drei ??? – (200) Feuriges Auge – Europa/Sony 2019

Von Matthias Bosenick (24.07.2019)

Es ist kompliziert. 200 Folgen der erfolgreichsten und beliebtesten Jugendbuchserie des Universums sind ein Grund zum Feiern, sicher, nach all den superben Abenteuern, die man mit den drei Jungdetektiven aus Rocky Beach seit 1979 auf Hörspielen erlebte. Aber von den zurückliegenden 100 Folgen war höchstens ein Viertel noch goutierbar, was Form und Inhalt betrifft. Der Fans liebster gegenwärtiger Autor André Marx verfasste nun die Buchvorlage zum Jubiläumsband, der auf die Klassikerepisode „Der Fluch des Rubins“ (als Hörspiel die Nummer 5) zurückgreift, das Trio zunächst trennt, den Rubin zum Gegenstand der Ermittlungen macht und die Drei Fragezeichen sogar bis nach Indien führt. Das Hörspiel ist auf fünfeinhalb Stunden gestreckt und erzählt die Geschichte zwar dranbleibbar, aber ohne Atmosphäre. Gemischtes Jubiläum.

Es geht die Kunde, Regisseurin Heikedine Körting höre sich keine anderen Hörspiele an als die, die sie selbst seit Jahrzehnten für das Label Europa produziert. Mit Erfolg, wohlgemerkt, aber mit fragwürdigen Entwicklungen, die sich auch auf die Umsetzungen der Drei-Fragezeichen-Bücher auswirken: Die Geschichten bestehen zum überwiegenden Teil aus Dialogen, Action wird nicht dargestellt, sondern in hermetisch geschlossenen Räumen nacherzählt. Die Sounds stammen wie einst im Mai von Tonbandschnipseln, damit fehlt ihnen die cineastische Durchschlagskraft einiger moderner Serien, etwa von Oliver Döring oder Volker Sassenberg. Zwar gibt es weitaus mehr dröge als griffig inszenierte Serien, aber die muss man sich ja nicht zum Maßstab machen, wenn man schon Marktführer ist.

Für die Geschichten kann das Label wiederum nichts, dafür sind die Buchautoren verantwortlich. Dennoch trägt es eine inhaltliche Verantwortung: Zwar schaffte es Skriptautor André Minninger auch schon, vergurkte Vorlagen als Hörspiel zu retten, meistens geht es aber andersherum, dass er die Entscheidung fällt, die aufregendsten Stellen für das Hörspiel zu streichen; in den meisten Fällen entsprechen die Hörspiele jedoch den Büchern, und das ist dann leider auch nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal. Das Autorenteam nimmt sich Freiheiten heraus, mit der Serie zu experimentieren, was grundsätzlich gut ist, aber angesichts der Ergebnisse den Eindruck erweckt, die hätten die Serienseele nicht erfasst. Oder die Logik ihrer eigenen Geschichte. Das Argument der Kritiker, die die Kritiker kritisieren, lautet in der Regel, dass es auch schon bei den als Klassikern kategorisierten Folgen bis Nummer 40 oder 50 Logiklücken und Umsetzungsschwächen gab; das stimmt wohl, aber seitdem hatte man ausreichend Zeit, dazuzulernen, weshalb man an heutige Erzeugnisse sehr wohl andere Maßstäbe ansetzen sollte als an die Vorlagen aus den Sechzigern und die Hörspiele aus den Siebzigern.

Marx nun gehört zu den besseren Autoren, deshalb ist eine Folge 200 aus seiner Feder eine allseits beklatschte Entscheidung. Damit schafft er den fünften Dreifachband der Serie, nach den Folgen 100 („Toteninsel“, André Marx), 125 („Feuermond“, André Marx), 150 („Geisterbucht“, Astrid Vollenbruch) und 175 („Schattenwelt“, Christoph Dittert, Kari Erlfhoff und Hendrik Buchna); bei „Der DreiTag“ handelte es sich um eine Sonderfolge, die ursprünglich für die Spin-Off-Serie Die DREI geplant war, aber nach Ende des für den Spin-Off verantwortlichen Rechtsstreits ohne Zählung in die Hauptserie aufgenommen wurde. Die jeweiligen Hörspiele sind von sehr unterschiedlicher Qualität: 100 und 150 haben Action, Handlung, wechselnde Schauplätze, Abenteuer, interessante Figuren; 125 behandelt den Moriarty von Justus Jonas, den charmanten Kunstdieb Victor Hugenay, verlegt sich aber auf zu weiten Strecken auf Nebenschauplätze; 175 ist eine Katastrophe.

Nun: Die Nummer 200 ist nichts davon. Irgendwo im akustisch leeren Raum stellen Peter Shaw und Bob Andrews fest, dass ihr Chef Justus Jonas verschwunden ist, und finden bei der schön schnitzeljagdigen Suche heraus, dass es irgendetwas mit dem „Fluch des Rubins“ zu tun hat. Es gibt eine kleine Reihe von undurchsichtigen Kontaktmenschen, denen sie begegnen, bis sie Justus finden. Der erzählt dann als zweites Drittel seine Seite der Geschichte nach, mit Entführung, Beinahefolter und Flucht sowie Anlass für Peter und Bob, an seiner Loyalität zu zweifeln, und dann fliegen die drei eben nach Indien, um einen verschwundenen Tempel mit Rubin drin zu suchen. Äh, warum nochmal? Egal.

Den Bösewicht Gabriel White spricht Till Hagen, und er spricht ihn wie seine Figur Ian G. aus der Serie Offenbarung 23; man könnte White beinahe als Alter Ego auffassen. Als Gastsprecher der Marke Ilja Richter in „Gefährliches Quiz“ ist hier Achtziger-Moderator Carlo von Tiedemann dabei. Für die Rückkehr des jugendlichen Helfers August August tritt wie vor 40 Jahren Stephan Chrzescinski an; den damaligen ambivalenten Mr. Rhandur kann Gottfried Kramer leider nicht mehr sprechen, für ihn tritt mit Eckart Dux ein anderer alter Sprecherheld an. Mit Blick auf die Länge der gesamten Sprecherliste wundert man sich, weil man so viele Figuren am Ende gar nicht mehr in Erinnerung hat.

Die Geschichte gibt vor, vier Jahre nach „Der Fluch des Rubins“ zu spielen, das als Buch in den USA 1967 und als Hörspiel in Deutschland 1979 erschien. Wenn ein Mr. Rhandur dann etwas von „lang her“ und „nicht wiedererkannt“ erzählt, ist das vielleicht ein Meta-Gag fürs Schmunzeln, wirkt aber nach vermeintlichen vier Jahren unangemessen. Dem Geist der Serie ist es nun mal geschuldet, dass die Drei Fragezeichen in diesen vier Jahren über 190 Fälle lösten und dabei rund 50 Sommerferien erlebten; ein Rückgriff auf solche alten Themen kommt zwar immer wieder vor, behält aber einen Beigeschmack des Unnötigen, sofern Figuren nicht genau so bezugslos bleiben wie die drei Fragezeichen selbst. So lässt Marx hier auch den von Ben Nevis eingeführten Stadtstreicher mit dem wenig schmeichelhaften Namen Rubbish George als Spurgeber sowie die aus seiner Feder stammende Archäologenräuberbande Sphinx als Bösenvereinigung auftreten; ersteres funktioniert, weil es keine inhaltlichen Bezüge zu alten Folgen gibt, zweiteres bleibt fad, weil es sinnfrei erzwungen wirkt, und die ganze nun mit umgekehrten Vorzeichen neu erzählte Rubingeschichte hat einen sehr unangenehmen Beigeschmack, weil sie eigentlich längst auserzählt war und der pure Nostalgiefaktor nicht als Aufhänger für ein Jubiläumsabenteuer ausreicht..

Und: Wie klingt eigentlich dieses Indien? Genau wie der Schrottplatz. Seit einiger Zeit ersetzt Körting Atmosphären durch ein Nichts, das im Laufe der unendlichen Dialoge in ein undefinierbares Blubbern übergeht, das wohl Hörspielmusik sein soll und eher verwirrt als hilft. Und so labern sich die Figuren durch den Fall, der mit seiner Point-and-Klick-Herangehensweise anfangs immerhin noch bei der Stange zu halten weiß, aber den Hörer recht bald ins Nirwana abdriften lässt. Fünfeinhalb Stunden sind einfach zu viel für so wenig Action.

Episode 200 ist keine Katastrophe also, aber auch nicht das Glück dieser Erde und einem solchen Jubiläum nicht voll angemessen. Das Vinyl der sechs LPs ist dieses Mal übrigens schwarz, nicht mit den Buchcovern bedruckt wie bei den anderen Jubiläen. Einen Downloadcode gibt es indes nicht.