Casualties Of Cool – Casualties Of Cool – HDR 2014

Von Matthias Bosenick (11.06.2014)

Was ist das, Ambient-Country? Es ist schon erstaunlich, was Devin Townsend den Metalheads alles unterjubelt. Und was sie alles durchgehen lassen, wenn nur Devin draufsteht. In diesem Falle ist es eine Kooperation mit Ché Aimee Dorval, der Sängerin, die auch schon auf „Ki“ zu hören war. „Casualties Of Cool“ stellt nun auch so etwas wie den Link zwischen „Ki“ und „Ghost“ dar, mit Anflügen von beiden Richtungen: Country und Western. Das Ergebnis klingt erstaunlich zwingend nach einer logischen Fortsetzung von dem, was man von Devin kennt, und somit vertrauter als befürchtet. Die limitierte Auflage hat eine Bonus-CD mit Stücken, die auf dem verworfenen „Ghost 2“ hätten landen sollen.

Softcore-Johnny-Cash, Weichzeichner-Nashville, New-Age-Boom-Chicka-Boom. Devin und Ché Aimee gleiten durch klassische Country-Rhythmen, als wären sie ätherische Watte mit Antigrav-Eigenschaften. Körperlose Stimmen schmachten, ein Saxophon lässt an Foreigner denken, ein Kammerchor setzt Akzente, eine Flöte geistert über den Dingen, Streicher füllen die Leere. In Sachen Harmomnien ist Devin ein Meister, und es gelingt ihm erstaunlicherweise, all diese Elemente so zu kombinieren, dass man zwar das Wort „cheesy“ im Kopf hat, es aber als unzutreffend verwirft. Es steckt wie immer eine Menge Kreativität in den Kompositionen und Arrangements. Sobald man meint, im Rahmen des allzu einlullenden Sounds wegzudämmern, integriert er eine neue Komponente, über die man staunt, bisweilen sogar lacht. Je nun: An diesem Album werden weder Nashville-Puristen noch Strapping-Young-Lad-Verehrer ihre vorbehaltlose Freude haben. Wenngleich Metalheads vermutlich mehr Toleranz mitbringen dürften (Aufschrei erwünscht).

Denn was Devin schon vor 20 Jahren auf „Ocean Machine“ unter dem Rubrum „Metal“ zu Gehör brachte, sprengte jene Grenzen. So behielt er es freundlicherweise bei und forderte seine Fans dazu heraus, ihren Horizont zu erweitern. Das ist gottlob eine Methode, derer sich viele Metal-Musiker bedienten, nicht nur in Sparten, auch populäre wie Sepultura, Soulfly oder Amorphis. So ist ein Projekt wie „Casualties Of Cool“ für den aufmerksamen Devin-Hörer eben eine konsequente Erweiterung des Oeuvres. Nicht nur, dass man Ché Aimee bereits vom entspannten „Ki“ kennt. Auf dem Project-Album „Ghost“ klingt „Blackberry“ bereits nach Country, zudem kann man das Frosch-Sample aus dem Stück auch auf „Casualties Of Cool“ zwischen zwei Songs hören. Das Titellied „Ghost“ ist – mal ehrlich – reinrassiger Schlager. Auf der Compilation „Contain Us“ basiert „Radial Highway“ ebenfalls auf einem Country-Beat (und auf „Radar Love“ von Golden Earring).

„Radial Haighway“ übrigens stammt noch aus den Sessions für „Ghost 2“, wie vieles von der nur über Pledge erhältliche Bonus-Disk zu „Casualties Of Cool“. Die wiederum ist tatsächlich kaum mehr als eine anspruchsvolle Einschlafhilfe. Die wirklich interessanten unveröffentlichten „Ghost 2“-Stücke sind auf den teuren limitierten Boxen „Contain Us“ und „By A Thread“ versteckt, unter anderem das übergute „Watch You“.

Das Personal auf „Casualties Of Cool“ ist über Ché Aimee hinaus auch vom Devin Townsend Project bekannt, etwa Mike St-Jean und Dave Young. Kat Epple spielte auch auf „Ghost“ die Flöte. Dazu kommen überraschende Querverweise, etwa in Person von Morgan Ågren, der bei Fredrik Thordendal’s Special Defects mitgespielt hatte, und mit diesem Fredrik Thordendal von Meshuggah war Devin vor einigen Jahren Gast bei Gojira, als sie einen Track für die leider nie veröffentlichte „Sea Shepard EP“ einspielten, und wiederum dieser Fredrik Thordendal spielte auf dem Devin-Album „Deconstruction“ beim Titellied mit. Als Saxophonist ist Jørgen Munkeby dabei, der den Jaga Jazzists und Shining angehört. Bei Devin also finden die interessanten Musiker zusammen. Und machen Ambient-Country. Sowas!

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