Y.E.R.M.O. – Collision Zone (Remaster) – Antibody Label 2025

Von Matthias Bosenick (05.06.2025)

Die knapp 33 Minuten dieses experimentellen Tracks beginnen mit gut 15 Minuten Lärm am Stück. Und zwar so richtig Lärm, der bis in die Haarspitzen schmerzt. Weil er einfach durchzieht, weil er Druck ausübt, weil er nicht abreißt. Damit gelingt es dem belgischen Projekt Y.E.R.M.O., dass man sich beim Hören sogar noch entspannt fühlt. Das ist Yoga für Leute, die als Antwort auf die Schwere des Lebens etwas noch Schwereres brauchen. Durchhalten wird belohnt: Nach der Hälfte verändert sich der Track völlig – und wird sogar noch richtig schön verregnet. Erschienen 2009 als Soundtrack zu einer Biennale-Ausstellung in Venedig, gibt’s diesen Track jetzt remastert wieder.

Was man hört: Das könnte eine E-Gitarre sein, da irgendwo im White Noise des Anfangs. Während man dieses Geräusch ausdifferenziert, nimmt man also wahr, dass „Collision Zone“ doch mehr ist als nur das Rauschen, als das es sich anfänglich ausgibt. Dieses Rauschen bohrt sich ins Gehirn, schlimmer, als es der Zahnarzt mit seinem Instrumentarium vermag, klammert sich dort fest und manipuliert die Hörenden dazu, nicht auszuschalten, sondern durchzuhalten, sich dem Brüllen hinzugeben, mitzuerleben, wie es variiert, in der Tonhöhe etwa, leicht, in den Zutaten, dezent, um dann festzustellen, dass nach acht Minuten tatsächlich eine Änderung eintritt, im Verlaufe so etwas wie ein unterschwelliger Rhythmus wie von einem Motor hinzukommt, man die Ahnung von einem berührten Hi-Hat bekommt, von menschlicher Stimme im Nirgendwo, von Sounds aus dem frühen Industrial.

Nach der Hälfte des Tracks ändert sich alles: Die Geräuschwand ebbt ab – und plötzlich bricht eine verzerrte Gitarre ein, wie eine Sirene, und wird dann von einem Schlagzeug begleitet, das nach Art der Tribal Drums dem nun in den Hintergrund gerückten White Noise eine Struktur abringt. Und dann passiert etwas, womit gar nicht zu rechnen ist: Ein Sturzbach ergießt sich über die Hörerschaft, man lauscht einem heftigen Regenschauer, es pladdert, platscht, gießt, strömt, stürmt, weht. In diese Wetterlage winden sich richtig schöne, entspannende, harmonische, warme Soundscapes hinein. Von Lärm keine Spur mehr, die Seele darf aufatmen, der Regen reinigt die Luft, irgendwo schimmert es bestimmt bald wieder silbern am Horizont, aber erstmal bleibt es noch Nacht.

Yermo ist der spanische Name einer entlegenen Kleinstadt in der Wüste Kaliforniens, deren Name übersetzt vermutlich berechtigt „Ödnis“ bedeutet, im Gegensatz zur Musik von Y.E.R.M.O.. Dieses Projekt ist überdies nicht zu verwechseln mit der Black-Metal-Band aus Madrid, denn hier gibt’s Punkte. Als Y.E.R.M.O. agieren Xavier Dubois von der Sludge-Metal-Band Ultraphallus und Labelbetreiber Yannick Franck. Gemeinsam schaffen sie seit über 20 Jahren Alben voller wunderschöner Drones und prädestinierten sich folglich dafür, den Luxembourger Künstlern Nadine Hilbert & Gast Bouschet 2009 bei ihrer Ausstellung bei der Biennale in Venedig zur Seite zu stehen. Die beiden steuerten zu dieser Aufnahme die Field Recordings bei, darunter den mediterranen Regen. Der französische Punkrocker Jason van Gulick kam als Schlagzeuger dazu. Seinerzeit lag dieser Mitschnitt bereits als CD vor und nun ist in remasterter Form erneut zugänglich. Damals war der Mitschnitt noch in fünf Indizes unterteilt; die sind hier zwar aufgeführt, aber nicht mehr getrennt.