Von Matthias Bosenick (30.07.2020)
Mit dem Projekt Xchnum Miiimiiikry hebt Jonas Kolb sein künstlerisches Wirken von Machyyre auf das nächstdüstere Level: Die Zweisongsingle ist mit dem Etikett Black Metal beklebt, aber das ist nicht die ganze Wahrheit, denn dafür ist die Musik zu experimentell. Wer Machyyre kennt, hat zumindest eine Ahnung davon, was ihn bei Xchnum Miiimiiikry erwartet: Theatralisch, abgrundtief, dunkeldüster, schmerzvoll, leer, blutig und böse sind die Songs. Zur Nachahmung nicht empfohlen!
„Köters Gonna köt“ besteht aus einem spartanischen Loop mit Stimme, „Hebamme“ aus Geschrei und Gelächter über zwei hallenden Gitarrentönen. Von klassischem Black Metal also keine Spur, nicht einmal Dark Ambient greift hier als Zuordnungsmöglichkeit. Beide Tracks sind derartig verstörend, dass man ihre Länge nicht erfasst: Sie scheinen viel kürzer zu sein als die jeweils dreieinhalb Minuten, und das, obwohl fast gar nichts in ihnen geschieht. So bedrückend eindrucksvoll sind sie.
Man ist nur erschüttert darüber, was in dem jungen Mann wohl vorgehen mag, dass er eine solche Ausdrucksform für sich wählt. Diese Single – hübsch transparent – begleitet das Album „Was ist vom Leben zu erwarten?“ und das in fröhlichem Pink gehaltene Buch „Fromage, Vol.1: Gott ist tot und du wirst folgen“, beides ebenfalls erschütternde Titel. Verfolgt man Kolb zusätzlich auf seinem Instagramkanal, muss man den Drang, Rettungskräfte zu rufen, sehr stark unterdrücken. Er foltert, was das Zeug hält, und nimmt sich dabei selbst nicht aus.
Man kann davon ausgehen, dass sich Kolb mit seinen vielfältigen Ausdrucksformen selbst therapieren will, wie es in der Kunst nicht selten ist, und dass er dunkle Seiten auslebt, die ihn dann im Alltag nicht behindern. Im Umgang mit ihm scheinen diese Abgründe nicht durch, es muss also helfen. Der Tod seines Vaters, so offenbart er im Internet, scheint da eine nicht unwesentliche Triebfeder zu sein; sein Groll gegen Gott bekommt dadurch eine gängige Basis.
Und im Projektnamen einen Widerhall: Bei Xchnum oder Chnum oder Khnum handelt es sich um einen Ägyptischen Schöpfergott in Widdergestalt, Mimikry ist die Fähigkeit zur Verkleidung als etwas Gefährlicheres in der Tierwelt. Die Single „I“ zu hören ist kein Genuss im herkömmlichen Sinne, man hat es vielmehr mit einem Stück Kunst zu tun, das einen Ausschnitt aus Kolbs umtriebigen Schaffen darstellt. Und wer ist überhaupt schon wieder diese „Ilse ausm Schützengraben“? Und wer The Berenice Soundproject?