Von
Matthias Bosenick (06.02.2020)
Seit 2006 produzierte der
verschrobene Regisseur David
Lynch nichts mehr fürs Kino („Inland Empire“), seit 2017 nichts
fürs Fernsehen („Twin Peaks“, Staffel 3), und dann stellt der
Mann im Januar 2020 ganz plötzlich einen Kurzfilm bei Netflix ein,
den er bereits 2016 fertigstellte. Mit ebenjenem „Hä?“ wie auf
diese Umstände reagiert man auch auf den Film selbst: Der Regisseur
befragt sein äffisches Alter Ego nach einem Mord, woraus sich eher
unzusammenhängende Dialoge ergeben. Schönes Schwarzweiß, viel
Zigarettenrauch, ein guter Witz – ansonsten nur Fragezeichen. Es
ist, als sähe man ihm dabei zu, wie er gedankenverloren auf seiner
Schreibtischunterlage herumkritzelte.
Sicherlich
ist Lynch ein Meister darin, schwer erschließbare Handlungsverläufe
auf sein Publikum einwirken zu lassen. Diese surrealen Absurditäten
garniert er ansonsten mit schönen Bildern, Spannung, Überraschung,
Mystery oder sogar Humor, aber hier bleibt fast alles davon auf der
Strecke. Lynch spielt einen an seine frühere Rolle als Gordon Cole
bei „Twin Peaks“ angelehnten Ermittler, der in einer engen
Bahnhofswartehalle den kleinen Kapuzineraffen Jack Cruz nach einem
Mord an einem Hahn befragt, der offenbar Nebenbuhler um die Gunst der
Henne Toototabon war, mit dem Jack ein Techtelmechtel hat. Nach
einigen unzusammenhängend abgesonderten Redewendungen erschließt
sich allmählich dieser Handlungsverlauf, Jack erweist sich als
schuldig und Lynch ergreift ihn mit Hilfe des Huhns jenseits der
billig-schiefen Kulissen. Fertig.
Der Affe Jack Cruz
spricht mit Mund und Stimme von Lynch, was man heraushören kann,
wenn man Lynchs Musik kennt; etwa auf „Crazy Clown Time“ singt er
bisweilen ähnlich, wie er Jack gegen Schluss performen lässt. Es
handelt sich also um ein Zwiegespräch Lynchs mit sich selbst, das
dunkle Geheimnisse offenbart: Wer gibt schließlich bereitwillig zu,
als Affe auf Hühner zu stehen und dann auch noch zum Mörder zu
werden. Um dieses traumartige Gebilde in die Realität übertragen zu
können, muss man vermutlich im Englischen sattelfester sein (die
Untertitel helfen wenig, die Redewendungen über die schiere
Übersetzung hinaus in einen sinnhaften Kontext zu bringen) – oder
die obskuren Lebensverhältnisse oder Weltsichten Lynchs besser
kennen. Der Meister der Transzendentalen Meditation kann sonstwas
damit ausdrücken wollen, tiefenpsychologisch, traumdeuterisch,
spirituell, und womöglich ist es lediglich eine reine Fingerübung
als Regisseur und Drehbuchautor oder ein simples Stück Kunst.
Für
Letzteres spricht, dass die schwarzweißen Noir-Bilder vom rauchenden
Ermittler und vom sprechenden Affen vor den schiefen Kulissen recht
ansehnlich sind und die zögerlich ausgetragenen Wortgefechte eine
unterschwellig gruselige Stimmung erzeugen. Spätestens, wenn die
Kellnerin zwei Tassen Kaffee vorbeibringt, fühlt man sich an Jim
Jarmuschs „Coffee And Cigarettes“ erinnert, nur ohne den Spaß.
Verständlich ist das Ganze nicht, auch nicht, warum Lynch diesen
bereits 2016 fertiggestellten Film nun ohne Ankündigung ausgerechnet
beim Kinokiller Netflix unterbringt. Man munkelt von einem möglichen
Deal für – eine weitere Serie, einen neuen Film? Oder handelt es
sich um einen großen Prank dem Streamingdienst gegenüber? Sicher
ist: Es wird ausreichend Fans geben, die in „What Did Jack Do?“
tieferen Sinn entdecken. Die dürfen sich gern melden.