Von Onkel Rosebud
Meine Freundin mag sich manchmal vom Flachbildschirm auch nur berieseln lassen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag muss es nicht noch eine Folge „Westworld“ auf Englisch sein, bevor das Haupthaar ins Kissen gebettet wird. Es ist jedoch nicht ganz einfach, eine deutsche TV-Serie zu finden, wo man niveauvoll unterhalten wird, mit dem ein oder anderen Schmunzler zwischendurch, ohne Peinlichkeit und zu viel Ambition. Und das bestenfalls noch mit der einen oder anderen Portion Lokalkolorit.
Das schafft jedoch „Mord mit Aussicht“, eine humoristische Krimiserie der ARD. Sie handelt von der Kölner Kriminaloberkommissarin Sophie Haas (Caroline Peters), die in die fiktiven Ortschaft Hengasch im Kreis Liebernich in der Eifel versetzt wird. Vor Ort trifft sie auf ein hinreißend provinzielles Team, die junge Polizeimeisterin Bärbel Schmied (Meike Droste) und den gutmütigen Polizeiobermeister Dietmar Schäffer (Bjarne Mädel), der bei Ehefrau Heike, Spitzname „Muschi“ (Petra Kleinert), nichts zu lachen hat. Alle Drei kämpfen sich fortan durch 39 Folgen skurrile Morde (3 Staffeln im Zeitraum 2008 bis 2012).
Dabei kommt der Slapstick nicht zu kurz und auch ein paar hübsche Running Gags sind liebevoll eingepflegt. Da wären zum Beispiel der Notfallarzt Dr. Arndt Bechermann (Patrick Heyn), der eigentlich Gynäkologe ist, und selbst bei offensichtlichen Mordfällen immer wieder zuerst „Herzinfarkt“ diagnostiziert. Oder die schwerhörige Rentnerin Frau Ziegler (Therese Dürrenberger). Sie schlurft regelmäßig im Schneckentempo mit einem Rollator durchs Dorf und blockiert die schnelle Eingreiftruppe auf dem Weg zum Einsatz.
Die beste Folge ist Nummer 23, „Das nennt man Camping“. Als Sophie vom plötzlichen Tod des Rentners Vostell hört, wittert sie sofort ein Verbrechen, denn die Todesumstände ergeben für sie keinen Sinn. Da der Fall Vostell aber nicht in ihre Zuständigkeit fällt, sondern in die der Kollegen aus Bad Münstereifel, die jedoch partout nichts von einem Verbrechen wissen wollen, muss Sophie auf eigene Faust die Ermittlungen aufnehmen. Und das undercover auf einem Campingplatz, zusammen mit Dietmar – getarnt als Ehepaar. Alle gängigen Klischees auf deutschen Campingplätzen werden durch den Kakao gezogen, dass es eine Freude ist.
Der große Verdienst von „Mord mit Aussicht“ ist der detailgetreue, ironische Blick auf das Leben in der Provinz. Die Serie spielt mit der stillen Verzweiflung, die viele Menschen dort spüren, doch nicht unbedingt zeigen. Meine Freundin ist nicht in der Eifel aufgewachsen, aber ich kenne Menschen, denen das widerfahren ist. Die beschrieben das Leben dort als „immer so eng“. Aus psychologischer Sicht ist es vollkommen klar, warum die Serie so erfolgreich ist: Hier ist alles erlaubt und offensichtlich, was uns sonst „verboten“ erscheint. Unsicherheiten und Peinlichkeiten werden auf einmal liebenswürdig. Die Serie spiegelt das Lebensgefühl vieler Menschen wieder – ein Lebensgefühl, über das man außerhalb von Therapieräumen kaum sprechen mag.
Leider ist das Ende ziemlich absurd und stereotyp für die deutsche Fernsehlandschaft. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2014 war „Mord mit Aussicht“ die meistgesehene Fernsehserie Deutschlands. Das konnte auch ein mittelmäßiger 90-Minüter namens „Ein Mord mit Aussicht“ nicht ändern. Nach dem Ausstieg von Bjarne Mädel, der über zunehmend gekürzte Drehzeiten und Budgets, unkreativen Umgang mit dem Serienkonzept sowie schwächere Drehbücher klagte, kommt es seit 2021 zu einer Wiederbelebung, die dem Original nicht annähernd das Wasser reichen kann.
Onkel Rosebud