Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Warum das Überspringen des Vorspanns eine Unsitte ist

Von Onkel Rosebud

Für meine Freundin fängt die Definition einer guten Serie beim Intro an. Unterlegt mit einem tollen Score kann das schon mal ein Versprechen für einen soliden Abend auf der Couch sein. Im besten Fall ist das mehr als nur Vorspann, ein Kunstwerk, das sie sofort in die Welt der Serie hineinzieht und auf das Kommende vorbereitet. Vor einigen Jahren wurde der „Skip Intro“-Button, zuerst bei Streamingdiensten, dann auch in den Mediatheken, eingeführt. Meine Freundin vermutet, dass die Zielgruppe dafür die stetig steigende Anzahl der Ungeduldigen ist. Ungeduld ist ja per se nichts Schlechtes, kennzeichnet aber in Bezug auf Serienintros eine Portion Angst vor Langeweile und zeigt eine gewisse Unreife.

So verlockend der Vorspul-Knopf auch ist, wenn gefühlt gleich ein Drittel der Sendezeit einer Folge wegfällt (zum Beispiel „Avatar – Herr der Elemente“), der Vorspann ist ein wesentliches Mittel, um die Serie als etwas Besonderes zu kennzeichnen, nämlich als Qualitätsprodukt. Das Intro wird deshalb nicht übersprungen, weil man aus Vorfreude jedes Mal Gänsehaut bekommt.

Hier eine unvollständige Liste (ohne „Game Of Thrones“, das die Latte in dieser Rubrik nach oben geschraubt hat) der besten Serien-Intros aller Zeiten, die meine Freundin auch nach dem hundertsten Mal gucken nie überspringt:

Twin Peaks

Wie leitet man eine Serie ein, in der das Tor zur Hölle in einer US-amerikanischen Kleinstadt liegt? Genau, mit Bildern von einem Sägewerk und Landschaften zu sanften Synthies. „Twin Peaks“ beginnt mit nur neun Einstellungen in fast drei Minuten Vorspann – nach heutigen Maßstäben eine Meditationsübung. Aber eine, die sich lohnt. Unter der Idylle lauert der Abgrund. Schon der Vorspann gerät zur Liebeserklärung an die Provinz, wo die Welt zwar genauso kaputt ist, aber immerhin noch in Ordnung scheint. Nirgends wird diese Nostalgie so klar wie in der aufrichtig kitschigen Titelmelodie von Angelo Badalamenti, die eine unheimliche, mystische Stimmung erzeugt, die perfekt zur surrealen Atmosphäre der Serie passt.

Der Tatortreiniger

Carsten „Erobique“ Meyer hat das perfekte Intro für diese herausragende Perle unter den deutschen Serien beigesteuert. Wenn wir mit Schotty in den Wagen steigen, natürlich von Zigarettenrauch umgeben, und ihn zu einem neuen Tatort begleiten, kehrt eine eigentümliche Ruhe ein. Die Musik, die gezielte Kameraführung, alles stimmt einen auf eine besondere Folge „Tatortreiniger“ ein. Besonders ist, dass das Intro jeder Folge anders endet, je nachdem, an welchen Tatort es Bjarne Mädel verschlägt.

Dexter

Im Intro ist die Morgenroutine des Serienmörders zu sehen. Rasieren, Eier und Speck zum Frühstück mit einem dampfenden Kaffee, eigentlich ein stinknormaler Morgen. Wären da nicht der blutige Schnitt beim Rasieren und die extremen Nahaufnahmen von Dexter Morgan. Die Musik verrät gleichzeitig, dass wir es hier zwar mit einem schrägen, nicht aber mit einem bösen Menschen zu tun haben – wobei das natürlich Auslegungssache ist.

Breaking Bad und Better Call Saul

Meine Freundin ist ein großer Fan des Periodensystems der Elemente und selten macht das so viel Spaß wie beim Vorspann von „Breaking Bad“. Edel und geheimnisvoll fliegen einem die Elemente entgegen, die minimalistisch verspielte Begrüßung lockert auf für den Wahnsinn, der den zum Drogenboss aufsteigenden Chemielehrer Walter White erwartet. Zwei Elemente werden hervorgehoben: BR für Brom, Ordnungszahl 35, und BA für Barium, Ordnungszahl 56. Sie verwandeln sich in die Wortanfänge von „Breaking Bad“. Dann folgt der Name des Showrunners Vince Gilligan. 17 Sekunden Gesamtlänge hat der Vorspann. Den Button für „Intro überspringen“ hat man gerade entdeckt, da ist es schon vorbei. Auch der Bildgehalt vom „Breaking Bad“-Spin-off „Better Call Saul“ ist im Intro jeder Folge anders. Nur die kurze Titelmelodie, die jedes Mal abrupt abreißt, bleibt dieselbe. Das ist sehr erfrischend anders als von der Konkurrenz.

Onkel Rosebud

P.S.: Titel der nächsten Folge: „Warum das Überspringen des Vorspanns in Ordnung geht“.