Von Onkel Rosebud
Als meine Freundin und ich anfingen, die Serie „Top Of The Lake“ zu schauen, war sie sich sicher, sie hätte die bereits gesehen. „Gleich kommt dieser wehmütig-euphorische Song, von dem, na wie heißt er noch?“ „Angelo Badalamenti“ murmelte ich und stöhnte, „das spielt nicht in Twin Peaks, sondern in Laketop.“ Dabei lag sie auch irgendwie richtig, denn Jane Campions „Top Of The Lake“ und David Lynchs „Twin Peaks” zeigen Abgründe und Geheimnisse in einer in nasskalten Nebel getauchten Provinz, die Schnitte sind langsam, die Stimmung elegisch und die Krimihandlung ist nur ein alibihafter Rahmen für die wirkliche Geschichte. In beiden Serien liegen die schönste Natur und das Hässlichste der menschlichen Seele ganz nah beieinander. (Um jedoch eines gleich klarzustellen: „Top Of The Lake“ ist Twin-Peaks-ähnlich, aber nicht ganz so gut, denn fast nichts ist so gut wie Twin Peaks – jedenfalls nicht anno 1990.)
Campion, Jahrgang 1954 aus Wellington, Neuseeland ist eine Meisterin des feinfühligen Porträtierens. Als ihr bisher größter Hit, „Das Piano”, 1993 in die Kinos kam, war die zweite Staffel von „Twin Peaks“ schon gelaufen. 10 Jahre später räumte sie mit der ersten Staffel von „Top Of The Lake“ wieder Preise ab. Die Serie saugt den Zuschauer in das Soziotop Laketop hinein – einen brutalen wie absurden Ort, an dem alles so ist, wie es scheint, und man es deshalb nicht glauben kann. Poetisch, abgründig und skurril. Nur Holly Hunter, die schon die Hauptrolle in „Das Piano“ verkörperte, wirkt in ihrer Rolle unterfordert.
„Top Of The Lake“ ist weniger eine Serie als vielmehr ein langer Spielfilm. Die Geschichte lebt nicht von konstruierten Cliffhängern und Wendungen, die Türen offen halten für mögliche weitere Staffeln. Sondern vom Sog des Erzählatems, der die Handlungsstränge zu einem Ende führt. Das ist nicht langweilig, sondern zeigt, wie eine große Regisseurin ihre Poetik in einem neuen Format weiterführt. Die zweite Staffel 2017 setzte nicht direkt am Ende der ersten an, sondern dreht sich um einen komplett neuen, eigenständigen Fall, der auch nicht in Neuseeland, sondern in Australien spielt. Auch da gibt es zwischenmenschliche Dramen und undifferenzierte Männerbilder im Überfluss, aber Spannung und Anteilnahme sinken deutlich – und sagen wir mal so – fordern vom Zuschauer ein lockeres Verhältnis zu Plausibiltätsfragen. Das war aber im selben Jahr in der 3 Staffel von Twin Peaks auch nicht anders.
Onkel Rosebud