Von Onkel Rosebud
Der Serientitel „Fleishman is in Trouble“ hat meine Freundin abgeschreckt, sich dafür näher zu interessieren. „Fleischmän“ klingt nach einem unsexy Superhelden, dessen Kräfte was mit Zervelatwurst, Putensalami oder Bifi zu tun haben, meinte sie. Huh! Da sie aber gern mal ein Buch liest, schmuggelte ich ihr das gleichnamige Druckerzeugnis der Journalistin Taffy Brodesser-Akner unter den Gabentisch. Denn der Roman befasst sich unter anderem mit dem Wesen einer Beziehung, insbesondere mit der Belastung, wenn die Partnerin die Hauptverdienerin ist. Das fand ich spannend.
Als jemand, der lieber guckt als liest und Fan komplexer, charakterbasierter Serien ist, wollte ich meine Freundin dann unbedingt in die subtile, achtteilige Miniserie reinziehen. Mein nächster Schritt bestand darin, das Cover der Serie, das eine kopfüber abgebildete Skyline von Manhattan zeigt, an unseren Kühlschrank zu pinnen. Es zeigt, wohin die Reise in der Serie geht: In eine Welt, in der nichts mehr ist, wie es mal zu sein geplant wurde.
Hochkarätig besetzt und gespickt mit prominenten Gastauftritten geht es dabei um eine ganze Reihe existenzieller Themen, präsentiert mit bissigem Witz, einer unzuverlässigen Erzählerin und verblüffenden Perspektivverschiebungen.
Zuerst bezieht sich der Titel auf Toby Fleishman (bewährt umständlich gespielt von Jesse Eisenberg). Der Anfangvierziger hat zwar einen mehr als guten Job als Gastroenterologe mit Schwerpunkt Lebererkrankungen in einem renommierten New Yorker Krankenhaus, doch seine Ehe ist gerade in die Brüche gegangen, wie das Römische Reich, heißt es einmal, erst ganz langsam und dann rasend schnell. Seitdem lebt Toby in einem karg eingerichteten Apartment und teilt sich das Sorgerecht für seine zwei Kinder Hannah und Solly mit seiner in der bisherigen Wohnung verblieben Ex, Rachel. Das schleichende Auseinanderdriften der Eheleute, das in ihrer Trennung resultierte, wird in vielen Flashbacks, als „Szenen einer Ehe“ sozusagen, teilweise peinigend intim nacherzählt. Rachel Fleishmans Rolle ist brillant besetzt mit Claire Danes. Ich habe mich schon in der Serie „Homeland“ in sie verliebt, möchte sie jedoch nicht gegen meine Freundin eintauschen.
Die siebte Episode darf sie fast allein füllen. Das ist pures Seriengold, denn Claire Danes spielt atemberaubend fantastisch. Auch der Serientitel darf nun neu befragt werden, denn Rachel verschwindet eines Tages einfach. Welcher Fleishman ist hier eigentlich in trouble? Die Handlung der Serie wechselt abrupt von einer satirischen Abhandlung über Männer mittleren Alters, die wieder auf Partnerin-Pirsch gehen, zu einem waschechten Thriller.
Dazu gibt es noch eine Metaebene. Romanautorin Brodesser-Akner ist nicht nur Vorlagengeberin, sondern auch Showrunner der Miniserie. Libby (Lizzy Caplan) und Seth (Adam Brody) werden als alte Freunde von Toby aus Studientagen eingeführt. Libby ist die Erzählstimme der Serie und fungiert als Alter Ego der Autorin. Aus ihrer Perspektive wird dargestellt, was Menschen im mittleren Lebensdrittel umtreibt, wenn sie zurückblicken und Zwischenbilanz ziehen und abchecken, was noch möglich wäre im Rest des Lebens. Da geht es um das Älterwerden, über den Alltag, der die Leidenschaften des Anfangs überdeckt, über frühere Ambitionen, die verloschen sind, über Lebensentscheidungen, die Alternativen unmöglich gemacht haben.
Mit Fortschreiten der Serie verlagert sich der Schwerpunkt der Handlung dramaturgisch äußerst gelungen weg von Toby Fleishman hin zu den beiden weiblichen Hauptfiguren, insbesondere zu Rachel. So werden beide Ex-Eheleute unabhängig voneinander über dieselbe Sache gehört und entsprechend negativ steht der jeweils andere in diesen Berichten da. Aus dem Off bringt Libby das ganze so auf den Punkt: „Jeder, der schon mal eine Paartherapie besucht hat, weiß, dass über die eigene Meinung hinaus ein Abgrund mit brodelnder, Lava spritzender Glut liegt. Und jenseits dieses Abgrundes liegt die Meinung des Partners.“ „Fleishman is in Trouble“ ist eine äußerst sehenswerte Serie. Claire Danes, die interessanterweise seit ihrem sechsten Lebensjahr in Therapie ist, betrachtet diese als „ein hilfreiches Mittel und einen Luxus, um sich selbst zu reflektieren und Einsichten zu gewinnen“. Recht hat sie. Deshalb, wenn Du das liest, geh‘ in Therapie.
Ernsthaft ratschlagend, Onkel Rosebud