Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Geld macht unglücklich!

Von Onkel Rosebud

Was in Norwegen ein Viertel der Einwohner vor dem Bildschirm versammelte, ist für meine Freundin ein guter Grund für ein Binge-Wochenende. „Exit“ ist die erfolgreichste norwegische Serie aller Zeiten: Eine Million Norweger haben die Serie gesehen. Bei nur 5,4 Millionen Einwohnern ist das ein ziemlich guter Schnitt, vor allem, wenn man bedenkt, dass dieses vor Sex-, Drogen- und Gewalt-Exzessen strotzende Fiction-Werk viele jüngere und zarter besaitete Menschen erst gar nicht erreicht haben dürfte. Platt gesagt ist „Exit“ Norwegens Antwort auf „Wolf Of Wall Street“ oder „American Psycho“. Vier Investment-Banker geben sich einem Sex-, Drogen- und Gewaltrausch hin.

Worum geht es? Vier Osloer Investment-Banker-Freunde: Adam (Simon J. Berger), William (Pål Sverre Hagen), Henrik (Tobias Santelmann) und Jeppe (Jon Øigarden) zwischen Mitte 30 und Anfang 40 haben längst alles erreicht, was sie sich früher vielleicht mal vom Leben erträumten: viele Millionen auf dem Konto, ein Leben in Saus und Braus, Macht und die Freiheit, zu tun, was man will. Und ach ja – Familien gibt es auch noch. Zu Hause sitzen mehr oder weniger unglückliche Frauen und Kinder, zu denen die narzisstischen Väter so gut wie keinen Bezug haben, im Luxus herum. Nur Adams Frau Hermine (Agnes Kittelsen) hat noch kein Kind. Sie geht so langsam auf die 40 zu und wünscht sich nichts sehnlicher als Nachwuchs.

Dass Adam sich schon vor Jahren sterilisieren ließ, hat er seiner Frau nicht erzählt und lässt sie weiter im Glauben, man würde das mit dem Kind gemeinsam versuchen. Die bittere Lüge zwischen Adam und Hermine ist nur eine der Fiesheiten, von denen „Exit“ berichtet, denn das gesamte Privatleben der vier Protagonisten ist ein einziger Betrug. Vom Leben gelangweilt haben sie in Oslo eine gemeinsame Luxus-Wohnung angemietet, in denen regelmäßig Partys mit Drogen und Prostituierten stattfinden. Zudem kommt es im Leben von Adam, Henrik, William und Jeppe immer wieder zu – kaum vorhersehbaren – Gewaltausbrüchen. Mal ersticht man aus Versehen beinahe eine Prostituierte, mal wird ein junges Paar per Kickbox-Einlage im Park krankenhausreif geprügelt. Einfach aus Langeweile – und deshalb, weil man es sich leisten kann.

Geld, Einfluss und Hochmut regeln immer wieder brenzlige Situationen, in denen Grenzüberschreitungen die schrecklichen Vier mal wieder mit einem Bein in den Knast bringen oder sich ihre Frauen von ihnen abwenden wollen. Meistens jedoch hält die Fassade.

Im Laufe der Handlung stellte sich meiner Freundin die Frage, ob man diesen moralfreien „Helden“ tatsächlich zusehen will? Tatsächlich spricht ebenso viel dafür wie dagegen. Die vier Psychos sind aber eben nicht nur schlecht. Als Freunde helfen sie sich gegenseitig. Dazu tun sich bemitleidenswerte Abgründe der Verzweiflung und Schwäche in ihnen auf, etwa, wenn einer der Vier nach einem gescheiterten Selbstmordversuch erfahren muss, dass ihm seine Familie keinerlei Halt gibt und er ganz alleine ist.

Kein Geld der Welt hört dich schreien, wenn du dich elend und alleine fühlst. Das ist die Moral von der G’schicht. Keine Lebenskrise kann weggevögelt oder im Drogenrausch behoben werden.Dass all dies in oder vor wunderbaren Designer-Häusern mit Fjord- oder sonstigen spektakulären Norwegen-Bildern passiert, versteht sich von selbst. „Exit“ ist eine Bilder- und Amoral-satte-Serie für Menschen, die einem derartigen Verzweiflungstreiben gerne zusehen, um zu erfahren: Geld macht unglücklich!

Onkel Rosebud