Von Onkel Rosebud
Meine Freundin mag es nicht, wenn innerhalb von den ersten fünf Minuten im Piloten einer Serie gekotzt wird. Aber, das zeugt von Realität und sie bleibt erst einmal dran. Wenn dann auch noch Regel Nummer 1 eines guten Textes/Serie eingehalten wird: Leser/Zuschauer lieben Rahmenhandlung, und es sich um ein einheimisches Produkt handelt, dann guckt sie mit der Hoffnung, am Ende handlungstechnisch belohnt zu werden, gnadenlos bis zum Finale. So geschehen bei der achtteiligen Serie „Funeral For A Dog“. Und darum geht’s:
Das rätselhafte finnische Mädchen Tuuli (Alina Tomnikov) und die beiden Jungs Felix (Daniel Sträßner) und Svensson (Friedrich Mücke) lernen sich unbeschwert im Jahr 1998 bei der Arbeit für eine südamerikanisches NGO kennen und schließen sich zu einem komplizierten Liebesbund zusammen. Sie bestehen gemeinsam gefährliche Prüfungen, in deren Verlauf dem titelgebenden Hund „Lua“ ein Bein amputiert werden muss. In der Erzählgegenwart, die mehr als ein Jahrzehnt nach den Ereignissen in Südamerika spielt, ist Felix angeblich in einem norditalienischen See ertrunken. An dessen Ufer bewohnt Svensson, sein inzwischen als Schriftsteller zu Ruhm gekommener einstiger Kumpel und Nebenbuhler, eine wunderhübsch vergammelte Villa. Der Autor bekommt dort Besuch von Tuuli, ihrem kleinen Sohn (zugespitzt geboren 9/11 in New York) und einem Journalisten mit dem spitzenmäßigen Rollennamen Daniel Mandelkern (Albrecht Schuch).
Es entspinnt sich ein Drama von Schuld, Liebe, Verdrängung, Neid, Eifersucht, Verlust und Verrat. Im Subtext geht es eigentlich um die Frage, was Liebe alles aushalten kann. Und um Freiheit und großer Träume. Klingt kompliziert und überladen, aber nein, weil sich die Serie auch aus der Perspektive eines Whodunit gucken lässt. Der Cast inkl. der sensationellen Anne Ratte-Polle als Ehefrau des Mandelkern schafft es, die Figuren glaubwürdig, die Emotionen wahrhaftig und die Geschichte spannend zu machen. Verständnis, Leichtigkeit und Neugier entspinnen sich beim Sehen wie von selbst. Sich anderen nähern, um sich selbst zu finden, das ist das Leitmotiv dieser Buchverfilmung.
Vorlage ist das gleichnamige, damals Feuilleton-gefeierte Romandebüt anno 2008 „Bestattung eines Hundes“ von Thomas Pletzinger (*1975 in Münster, aufgewachsen in Hagen, einer der traurigsten Orte dieses Landes), der auch das Drehbuch geschrieben hat. Da trifft tatsächlich Haruki Murakami auf Thomas Mann, ein größeres Lob kann ich an dieser Stelle nicht aussprechen. Buch und Serie sind ein Genremix aus Thriller, Liebesgeschichte, Roadtrip und Mystery – voll mit raffinierten Zeitsprüngen. Der einzige Kritikpunkt meiner Freundin besteht darin, dass hauptsächlich die Gefühle der Männer verhandelt werden. „Funeral For A Dog“ ist eine Art Endgame des Maskulinen mit Fokus auf der Suche nach dem eigenen Glück, Liebe und Beständigkeit in einer unbeständigen Welt.
Die These ist vermutlich etwas gewagt, aber im Grunde handelt es sich bei „Funeral For A Dog“ um eine moderne Adaption der Kombination von „Das Wirtshaus im Spessart“ und „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff (*1802 in Stuttgart und gestorben ebenda 1827, quasi ein Gründungsmitglied des Club 27), dem Erfinder der Rahmenhandlung in der deutschsprachigen Literatur. Stichwort: Selbstentfremdung. Das weiter auszuführen, würde ein Stipendium für eine Masterarbeit benötigen, das der Krautnick leider zu besorgen nicht im Stande ist. Ich wäre insofern qualifiziert, weil meine Eltern es anno dazumal als pädagogisch sinnvoll erachteten, mir als Flitzpiepe das Oeuvre von Wilhelm Hauff in Form der Flimmerstunde nahezulegen. Meine Referenzen sind: Kalif Storch, Die Geschichte von der abgehauenen Hand, der verfickte kleine Muck, Zwerg (unheimlich) Nase und vor allem „Das kalte Herz“ mit der äußerst gruseligen 1950er Defa-Verfilmung (mit Erwin Geschonneck als Holländer-Michel).
Schatzhauser, Onkel Rosebud