Von Onkel Rosebud
Meine Freundin ist kein Fan einer offenen Beziehung. Da für mich dasselbe zutrifft, haben wir uns offenbar bei der Sache gefunden. Deshalb saßen wir auch etwas irritiert auf der Couch, als wir den 8-Teiler „30 Tage Lust” anfingen zu schauen, dessen Prämisse das Fremdgehen ist. Wir fühlten uns der Zielgruppe nicht zugehörig. Da man ab einem gewissen Alter, wenn man neue Leute kennenlernen will, welche gebären muss, kennen wir zwei aus dem Kundenkreis der Serie ganz gut und so guckten wir weiter.
Erzählt werden die erotischen Abenteuer eines jungen Pärchens, das sich einen Monat lang eine experimentelle Fremdgehphase erlaubt. Freddy und Zeno sind um die 30, sie sind seit 15 Jahren zusammen und sie lieben sich. Als nächstes stünde wohl eine gemeinsame Zukunft mit Kind an. Aber Freddy spürt den Drang, etwas zu verändern, und in einer Mischung aus Torschlusspanik und Hunger nach neuen Erfahrungen überredet sie Zeno zu dem Experiment.
Es liegt auf der Hand, dass man in der Serie viel Sex sieht. Anfangs wirkt er erschreckend intim, aber selten hat der im Fernsehen so wenig inszeniert oder so wenig artistisch ausgesehen. Sex ist einfach selbstverständlich. Die Kamera ist quasi nie voyeuristisch unterwegs, weil es in „30 Tage Lust“ doch eher um die Frage geht, was passiert dann, wenn die Zeit der spielerischen „Was wäre wenn?“ vorbei ist. Hat man dann seinen Weg gefunden?
Dabei kommt auch der Humor nicht zu kurz. Beim flotten Dreier führt der Ehemann dem Liebhaber Zeno den Finger in den Po. Später stellt sich raus: Ehemann ist Proktologe und der Liebhaber hat Prostata.
Mit „30 Tage Lust“ ist den Machern der Serie eine wunderbar komische „Melancomedy“ gelungen: Eine Gratwanderung zwischen Leichtigkeit und Tiefgang, Lachen und Fremdschämen. Und die beiden Hauptdarsteller Linda Blümchen und Simon Steinhorst sind eine Wucht. Weil sie Freddy und Zeno natürlich spielen, verletzlich, offenherzig.
Onkel Rosebud