Von Onkel Rosebud
Die Achtziger gehen immer. Das sieht auch meine Freundin so. Nichts ist so schön verklärt wie die eigene Jugend. Unsere Tochter meinte neulich, dass sie ein klein wenig neidisch darauf ist, dass wir in diesem Jahrzehnt unser „Coming of Age“ hatten. Da wäre der Soundtrack des Lebens um so viel besser gewesen als der Spotify-Algorithmus, der ihr heute das Dasein untermalt.
Wer die Serie „Die Newsreader“ ohne Vorinformationen schaut und die fantastische Hauptdarstellerin Anna Torv nicht schon aus „Fringe“ kennt, wird den Sechsteiler für ein Produkt der Achtzigerjahre halten, so authentisch sind Kameraarbeit, Farbgebung und Requisiten. Gedreht aber wurde er 2021. Folge 1 startet mit einer genauen Datumsangabe: 24. Januar 1986. Die Touristenwerbespots von Paul Hogan für Australien haben Furore gemacht. Sein Spielfilm „Crocodile Dundee“ ist in Vorbereitung. Gerade wurde Hogan zum Australier des Jahres gekürt. Ein Thema für die Sechs-Uhr-Nachrichten. Aber im Schneideraum gibt es Bandsalat. In fünf Minuten beginnt die Sendung. Produktionsassistent Dale Jennings (Sam Reid) mobilisiert ein Team und dreht in aller Eile einen Einspieler, während die Nachrichtensprecher Helen Norville (Torv) und Geoff Walters (Robert Taylor, auch großartig in der Neowesternserie „Longmire“) bereits auf Sendung sind.
Spannende Momente wie diese gibt es einige in der Serie. Stets herrscht Termindruck, digitale Überspielungen gibt es noch nicht. Notfalls wird die Videokassette im Dauerlauf ins Studio spediert.
Seit Kindertagen träumt Jennings davon, einmal selbst die Hauptnachrichten zu präsentieren. Serienschöpfer Michael Lucas und seine Co-Autoren erzählen von seinem Weg dorthin, von Rechercheuren, Redakteuren, Reportern. Viele Storys sind realhistorisch: das Challenger-Unglück, die Aids-Epidemie, Tschernobyl, das Chamberlain-Baby, das von einem Dingo entführt wurde. Branchentypische Konflikte treten auf, wie die zunehmende Boulevardisierung der TV-Nachrichten, die Abhängigkeit des kommerziellen Senders von Quoten, der strukturelle Sexismus. Polternde Ansage des Chefredakteurs: Aids-Themen kosten Zuschauer. Helen Norville setzt sie trotzdem durch.
Norville ist der Star des Senders, neben der Reporterlegende Walters, der langsam zu alt wird für die Arbeit vor der Kamera, der aber partout nicht weichen will, während der Nachwuchs ungeduldig mit den Hufen scharrt.
Serien mit Titeln wie „The Morning Show“, „Breaking News“ oder „The Newsroom“, über die hier noch zu reden sein wird, bilden rund um das Nachrichtengeschäft fast ein eigenes Genre. Und der besondere Reiz von „Die Newsreader“ liegt eben darin, dass das Geschehen in die Achtziger verlegt wurde.
Ein Vergleich mit „Deutschland 83“ drängt sich auf, er fällt zugunsten der australischen Serie aus. Die Zeiterscheinungen werden schlüssig und überzeugend in die Handlung eingebaut, die Dekors wirken nicht wie eine Leistungsschau der Requisite, die Musik wirkt nicht wie vom Supermarktsampler der Art „Die größten Hits der 80er“. In „Die Newsreader“ hört man Songs der Models, der Hoodoo Gurus oder Eurogliders.
Sowieso besteht ein Fehler der jüngeren Seriengeschichtsschreibung in der Konzentration auf den US-Markt. Aus Australien beispielsweise stammte schon die Hitserie „Neighbours“. Und „Prisoner“ nahm schon 1976 vorweg, wofür „Orange Is The New Black“ 37 Jahre später gefeiert werden sollte: Feminismus, Diversität, LGBT-Themen. Und nicht zu vergessen: „The Code“, eine Hammer-spannende politische Thriller-Serie über zwei unterschiedliche Brüder mit ganz viel Outback. Und Apropos Outback: „Mystery Road“ ist ein sehr geschickt gemachtes Drama.
Onkel Rosebud