Von Onkel Rosebud
Meine Freundin wünscht Anke Engelke ein langes Leben. Dass sie absolut großartig ist, gehört natürlich nicht in die Kategorie „bahnbrechende Erkenntnis“. Denn, einerseits ist Anke Engelke seit der Figur „Ricky“ aus der „Wochenshow“ von Sat1 in den Neunzigern das Lustigste, was dem deutschen Fernsehen je passiert ist. Und nun, seit „Das letzte Wort“ darf man sie auch gern als Schauspiel-Ikone bezeichnen.
Die Netflix-Serie nach einer Idee von Torsten Merten (ja genau, der Radiomoderator aus „Halbe Treppe“) erzählt eine Geschichte zwischen Drama und Komödie, vom ganz normalen Leben mit tollen Figuren und wunderbaren Dialogen. In den frühen Morgenstunden nach dem Fest zur Silberhochzeit findet Karla Fazius (Frau Engelke) ihren Mann leblos mit dem Kopf auf dem Esstisch. Zur Beerdigung kommt die erwachsene Tochter zum ersten Mal seit langem zurück nach Hause und der pubertierende Sohn zieht aus Trauer in Papas Kleiderschrank ein. Oma wird aus dem Seniorenheim geworfen und wohnt plötzlich auf dem Sofa. Und während Karla mit dem Bestatter Andi Borowski (Herr Merten) Planungen für die Beisetzung macht, ist plötzlich nochmal alles viel schrecklicher als gedacht. Denn Stefan Fazius hatte ein Doppelleben geführt, und Geld ist auch keins mehr da. Also fasst Karla einen Entschluss: Sie wird Trauerrednerin. Viel mehr muss man über die völlig kitschfreie Miniserie nicht wissen, um viereinhalb Stunden grandios unterhalten zu werden. In jeder Episode muss sie einen anderen Trauerfall und ihren eigenen weiterbearbeiten.
Serie in der Bestatterbranche – mit jeder Folge ein Todesfall? Da war doch was. Genau: „Six Feet Under“. Doch wo dort die Todesfälle vom Banalen über das Absurde, Komische bis hin zum Tragischen reichen, ist „Das letzte Wort“ ganz selten makaber (nur mit Omi). Die Serie ist lebensnah, voller echter, bewegender und trauriger Momente und auch ziemlich witzig, nicht zu verwechseln mit komisch. Das liegt natürlich an Anke Engelkes unübertroffenem komödiantischen Timing, aber auch an den anderen Figurenkonstellationen. Neben der Familiengeschichte geht es nämlich um die Tabuthemen „Tod“ und „Trauern“. Pietät mit großem „P“. Keine leichtverdauliche Kost, über die viel zu selten gelacht werden kann. „Das letzte Wort“ tut das, und zwar warmherzig und mit bemerkenswerter Leichtigkeit. Die Serie ist toll geschrieben und manchmal richtig surreal oder philosophisch. Oder um es mit Andi Borowski zu sagen: „Wenn es keinen richtigen Weg gibt, zu trauern, gibt’s auch keinen falschen.“
Anke Engelke ist ein sehr sympathischer Superstar der deutschen Unterhaltungsindustrie. Sie ernährt sich vegan und neulich in einem Interview (Süddeutsche vom 12./13. September 2020) gab sie auf die Frage nach ihrer öffentlichen Wirkung folgende Antwort: „Ich glaube, es ist nicht gut für den Charakter, wenn man immer angeschaut werden möchte. Ich wohne in Köln, zum Glück, wo es nicht so eine Rolle spielt, ob einer prominent ist oder nicht. Ich habe eine Jahreskarte der KVB, ich fahre immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“
Lang lebe Anke Engelke!
Onkel Rosebud
P.S.: Lieblingsnebenrolle: Ralf seine Shary (Reeves) als Psychoanalytikerin.