Von Onkel Rosebud
In dieser Folge der Kolumne gehe ich auf einen besonderen Wunsch meiner Freundin ein. Sie hält mir regelmäßig vor, in ihrem werten Namen über Zeugs zu schreiben, was sie oft gar nicht kennt, und fordert eine Richtigstellung: Schreib‘ doch mal wirklich über das, was deine Freundin gerne hört, zum Beispiel über Stereolab. Na, sehr gern.
Stereolab ist eine anglo-französische Avant-Pop-Band, die 1990 von Tim Gane und Lætitia Sadier in London gegründet wurde. Der Sound der Gruppe lässt sich schwer kategorisieren und weist Einflüsse aus dem Krautrock (wie Neu!, Can und Faust) und der Popmusik der 1960er Jahre auf, wobei oft ein sich wiederholender Motorik-Beat mit dem Einsatz alter elektronischer Keyboards und weiblichem Gesang in Englisch und Französisch kombiniert wird. Stereolab verbinden einen dröhnenden Rocksound mit Lounge-Instrumenten, überlagert von weiblichem Gesang und Pop-Melodien, und verwenden auch unorthodoxe Taktarten. Die Musik von Stereolab wird allgemein als Avant-Pop, Indie-Pop, Art-Pop, Indie-Elektronik, Indie-Rock, Post-Rock, Experimental-Rock und Experimental-Pop beschrieben. Das sind alles so schöne Schubladen. Ihre Einflüsse sind vor allem Beach Boys, Velvet Underground, Funk, Jazz, brasilianische Musik, Burt Bacharach, Françoise Hardy sowie die minimalistischen Komponisten Philip Glass und Steve Reich und Easy-Listening im Stile des mexikanischen Lounge-Musik-Großmeisters Esquivel.
Ihre Texte haben politische und philosophische Themen, die von der surrealistischen und situationistischen Bewegung beeinflusst sind. Auf der Bühne spielen sie einen eher feedback- und gitarrenorientierten Stil. Lætitia singt dabei gelegentlich wortlos zur Musik mit und erinnert an die emotionale Dramatik von Nico. 2001 waren meine Freundin und ich mal auf einem sensationellen Konzert von Stereolab und wir erinnern uns gern an die Gänsehaut, die der Vortrag von Songs wie „French Disko“ oder „Lo Boob Oscillator“ ausgelöst haben.
Gane und Sadier waren vierzehn Jahre lang ein Liebespaar. Aus der Beziehung ist ein Sohn hervorgegangen. 1992 ist Mary Hansen [zu Stereolab, mbb] hinzugekommen, deren Backgroundgesang den musikalischen Stil der Band maßgeblich prägte und die 2002 leider verstarb (als Fahrradfahrerin in London vom Laster umgefahren).
Im Laufe ihrer Karriere hatten Stereolab einen nur mäßigen kommerziellen Erfolg. Sie wollten lieber einzigartig als beachteter Mainstream sein. Diese Obskurität zwischen unheimlich, hypnotisch, süß und leicht fremdartig hat halt nicht für Massentauglichkeit gereicht. Mister Gane hat es mal wie folgt ausgedrückt: „Maybe the area where we’re on dodgy ground, is this idea that you need great knowledge of esoteric music to understand what we’re doing.“
Stereolab haben zwischen den Jahren 1992 und 2022 zehn Studioalben und zehn Kompilationsalben mit Nicht-LP-Tracks veröffentlicht. Meine Freundin empfiehlt als Einstiegsdroge das 1996 erschienene „Emperor Tomato Ketchup“ (Duophonic Ultra High Frequency Disks Limited).
La, La lune est libre je crois. Qui rayonne au-dessus, rayonne au-d’sus des toits. La lune est libre.
Onkel Rosebud