Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen

Von Onkel Rosebud

Neben den vielen Nachteilen, die das Älterwerden mit sich bringt, gibt es auch mindestens einen Vorteil, nämlich die gelassen-milde Weisheit, die sich mit den Jahren einstellt. Diese bewog mich, meine Freundin davon zu überzeugen, dass es sich beim Album-Debüt der Formation Fischmob, „Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“ (Plattenmeister, 1995), um das beste Album handelt, welches im deutschsprachigen Raum jemals veröffentlicht wurde. Sie hatte zwar einige Einwände, es fielen Stichworte wie Kraftwerk, Rio Reiser, Blumfeld, Blümchen, aber als sie DJ Koze (über The Notwist) mit in die ultimative Liste aufnehmen wollte, konnte ich ihr überzeugend darlegen, dass der Protagonist auch für „Bonanzarad“, dem 2. Song auf dem Album, zuständig gewesen ist. Er sampelte damals De La Soul, pfiff die Melodie selbst, unterlegte diese mit einem treibenden Old-School-Beat, baute Film- und Gitarren-Samples in Strophe und Refrain … und fertig war das bis heute unerreichte, schmissige Crossover-Kunststück, mit dem damals die Straßen von Kapitalisten, Spießbürgern und Bullen zurückerobert werden sollten: „Die Fußgängerzone ist mein Revier… und auf Tempo 30 scheiß ich…“. Dazu lief der Pop-Appeal des Songs aus „Ohren, Mund und Nase“.

„Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“ ist natürlich mehr als nur „Bonanzarad“. Niemals vorher in dem Land, in dem wir leben, hat eine Band mit so vordergründig smarten Tracks, so unpeinlich und undogmatisch Position bezogen. Wenn auf dem Lied „4’55“ die bedrückende Story einer Vergewaltigung über einen Trip-Hop-Beat erzählt wird, nur um dann am vermeintlichen Happy End in befreiender Selbstjustiz zu enden, bleibt einem das Frühstücksbrötchen im Halse stecken. Und von diesen trojanischen Pferden spulen Fischmob einige ab. Egal, ob die Polizeisatire in „Vater Will Uns Sehn“, das Proleten bloßstellende „Ey Aller“ oder die Sozialkritik mit Cypress-Hill-Sample in „Du Nennst Mich Penner“. Fischmob erzählen Geschichten über partycrashenden Beats und halten allen mitten im Sprung den Spiegel vor. Dazu kommen noch die Jump-Around-Songs: „Tut Mit Leid“ und „Fick Mein Gehirn“. Fischmobs energetische Reimwechsel und Doppelungen standen damals Run DMC, Public Enemy oder den Beastie Boys in nichts nach.

Der Albumtitel „Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“ bietet natürlich auch an, das Thema, warum Männer ihre Gefühle nicht zeigen können, anzuschneiden. Quasi Anspielung auf die Psyche des Mannes in einer Parnerschaft. Man braucht keine KI, um rauszufinden, dass das ein komplexes Thema ist. Die Mitglieder von Fischmob anno 1995, Cosmic DJ (Daniel Sommer), Der Schreckliche Sven (Sven Mikolajewicz), Stachy (Rafael Stachowiak) und Koze (Stefan Kozalla), hatten keine Antwort auf der Patte, warum Männer im Allgemeinen weniger sozial sind als Frauen und weniger wahrscheinlich Freundschaften schließen, häufiger an Sex denken und oft Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken, was zu Missverständnissen und Konflikten… blabla.

Anno 2024 kann ich – mit der mir eignen, milden Altersweisheit folgenden Ansatz zur Lösung der „Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“-Sache, um eine Beziehung zu erhalten und zu festigen – Folgendes vorschlagen: Regelmäßig miteinander reden. Am besten dafür eine feste Zeit vereinbaren und das immer durchziehen, egal was sonst anliegt.

Meine Freundin hat diesen Artikel geleikt.

Wer steht nicht daneben und baut, wenn die Anderen im Stau stehen? Genau,

Onkel Rosebud.