Von Matthias Bosenick (04.05.2016)
Ein neues Album von den Violent Femmes. Noch ein paar Zombies aus der Indieversenkung, die es nochmal wissen wollen. Okay, mal reinhören. Hm. Ist nur eine halbe Stunde lang und klingt genau wie ein Mix der Alben, die das Trio zwischen 1983 und 2000 herausbrachte. Nix Neues also, kein Grund für diese CD. Ist ja alles schon mal da gewesen und sehr vertraut. Also geil. Irgendwie. Verdammt. Die Jungs sind beseelt und haben Bock, den alten Scheiß mit umme 50 nochmal frisch und neu zu reißen. Mit spartanischem Schlagzeug, folkigen Anleihen, Rumschreien und den Horns Of Dilemma. Verdammt, da hat echt was gefehlt in den letzten 16 Jahren. Wie blöd: „We Can Do Anything“ ist mal echt geil geworden.
Gordon Ganos weinerliche, aber bestimmte Stimme bestimmt die akustikgitarrenbasierten Songs wie einst im Mai. Die Texte und die Mucke stehen immer noch in hartem Kontrast zueinander: depressiv auf Party. Am knarrenden Bass ist wieder Brian Ritche dabei, als Variable bedient nun jemand namens John Sparrow das Schlagzeug mit seinen Besen. Ah-Chöre und alkoholtrunkene Melodien zu tiefem Getröte der Horns Of Dilemma kennt man auch noch von früher. Die Mucke bleibt irgendwas zwischen Folkrock, Streetpunk und Gothpop. Das Trio klingt juvenil wie immer, hoch motiviert, beinahe wie von einer Epiphanie geleitet. Man kann nur staunen und sich wundern, warum diese lange Pause überhaupt nötig war.
Okay, weil sich die Jungs zerstritten hatten. Besonders Gano und Ritchie haben sich offenbar arg in den Haaren gelegen; da nimmt es Wunder, dass ausgerechnet der Platz des Schlagzeugers immerzu von anderen besetzt ist. Versuchten sie es nach dem Split noch kurz mit Ur-Drummer Victor DeLorenzo, schwenkten sie für die Comeback-12“ „Happy New Year“ 2015 unter Auslassung des Interimsdrummers Guy Hoffmann direkt auf Brian Viglione von den Dresden Dolls und World/Inferno Friendship Society um, nur um ihn dann fürs Album durch eben Herrn Sparrow zu ersetzen. Zwischendurch, im Jahre 2008, revanchierten sich die Violent Femmes übrigens bei Gnarls Barkley dafür, dass jene deren „Gone Daddy Gone“ auf dem Album „St. Elsewhere“ coverten, indem sie deren Hit „Crazy“ als 12“ herausbrachten – ansonsten war Ruhe.
Und nun also Album Nummer neun, per Pledge finanziert, zehn Songs, keine 32 Minuten Musik. Aber geile. Ein Querschnitt durch fast alle Stilwandel und musikalische Ideen, die man mit den Violent Femmes verbindet. Im Grunde eine Selbstcover, aber ein gutes. Kein uninspiriertes Comeback aus Geldnot oder Selbsterhaltungsdrang. Kraftvoll, dicht produziert, trotz spartanischer Karosserie üppig geraten, unterhaltsam. Nix Neues, okay. Also nicht ganz so relevant wie etwa die Swans. Aber verlässlich wie beispielsweise The Mission. Gute, eigentlich richtig gute Platte. Darauf wartet man gern 16 Jahre.