Vintermørke/Mountain Hermit – Una Faccia, una Razza – Mountain Hermit 2020

Von Matthias Bosenick (19.10.2020)

Das geht weit zurück in die Anfänge des Black Metal, zeitlich nach Venom und örtlich nach Norwegen: Nicht ohne Grund nennt der griechische Musiker Paranøia sein Projekt Vintermørke, was Norwegisch oder Dänisch für Winterdunkelheit ist. Für diese EP schließt er sich mit dem italienischen Projekt Mountain Hermit alias Ali zusammen: „Una Faccia, una Razza“ ist ein unproduziertes Drei-Track-Gebräu aus Tempo, Gekeife, Atmosphäre, Roheit und Humor. Abwechslungsreich und anstrengend, also herausfordernd. Und mit Orgel.

Das dürfte die größte Überraschung im ersten Track „Shattered Dreams“ sein: Los geht’s mit zerborstenem Glas, dann mostet die punkinfizierte Black-Metal-Maschinerie los und die Keifstimme setzt ein; das geht zweieinhalb Minuten lang so, dann übernimmt eine Kirchenorgel abrupt das Geschehen. Es scheint, als käme der Track ins Stolpern, lediglich das Geschrei bleibt erhalten, bis der Rest zurückkehrt und das Stück wie gehabt weiterbolzt.

In „Cold Dead Souls“ sind die Gitarren dann tiefer gestimmt, das Tempo bleibt hoch, aber die Drums klingen mehr nach Synthetik, und doch wirkt der Sound insgesamt wärmer. Hier hat das Geschrei eine tiefere Färbung und tritt in den Hintergrund. Auch dieser Track erfährt in der Mitte einen unvorhersehbaren Bruch: Plötzlich setzen Streicher ein und das Gebolze aus, in Kombination mit dem wehklagenden Schreien fühlt man sich an Soundtracks von Monsterhorrorfilmen erinnert.

Der finale Track belegt, dass im Black Metal eine gehörige Portion Humor verborgen ist: „Beer Belly And Ignorance“ lautet der Titel, und der Song selbst ist langsamer, eher doomig, das Schlagzeug wirkt organischer, das Geschrei weniger aufdringlich. Auch hier setzt alsbald eine Orgel ein, die aber eher auf psychedelische Weise an The Doors erinnert als etwa an Gothic-Metal. Man erfährt zudem, dass die beiden Musiker tatsächlich solche sind; sie lassen es zu, ihre Instrumente auch mal songdienlich einzusetzen. Ein schöner Kopfnicker als Abschluss.

Die beiden mediterranen Schwarzmetaller sind ansonsten mit ihren Projekten solo unterwegs, hier kombinieren sie ihre Beiträge zu einer Duo-Konstellation, oder anders: Der Musiker aus Griechenland steigt bei dem aus Italien als Gast mit ein, wie jener es formuliert. Paranøia, für diese Zusammenarbeit also in „Papa Hermit“ umbenannt, aus Trikala spielt den Bass, schreibt die Texte und steht am Mikro, Ali aus Rom ist der ganze Rest zu verdanken. Gemeinsam gehen sie die Schritte wieder zurück, die der Post-Black-Metal, der Black Gaze oder der Postrock in den zurückliegenden Jahren genommen und dem Genre weit mehr Geist verliehen haben, als der Black Metal der Welt in seinen Ursprüngen auszutreiben versuchte. Was Vintermørke und Mountain Hermit hier unternehmen, ist als Spagat aufzufassen, zwischen der rohen Urgewalt des Genres und der Selbstironie, mit der man ihm auch begegnen kann, wenn man ausreichend Distanz behält. Den moderneren Black Metal zelebriert Ali überdies nebenbei in dem Projekt Woods At Dusk.

Die EP, übersetzt „Ein Gesicht, ein Rennen“, gibt es bei Bandcamp als Download und demnächst auch als Tape – klassich mittlerweile – und als CDr. Man hat es hier definitiv mit Untergrundmucke zu tun!