Von Matthias Bosenick (26.11.2013)
Schon das dritte Live-Dokument von Under Byen, nach den EPs „Live At Haldern Pop“ (2004) und „Siamesisk“ (2008). So richtig oldschool gibt es das gute Stück nur auf Vinyl und in einer Mini-Auflage von 500 Kopien (davon stehen erstaunlicherweise aktuell noch einige bei Route 66 in Nørrebro im Regal, auch die Band ist noch in der Lage, aus eigenen Beständen einige Exemplare zu verschicken). Naja, und als Download. Da die meisten der sieben Stücke vom jüngsten Album „Alt Er Tabt“ stammen, bekommt man einen guten Eindruck davon, wie dieses auch hätte klingen können. Schön ist, dass keine der beiden Versionen überflüssig ist. Allerdings konzentriert die Band in der Live-Version alle Songs auf einen sehr ähnlichen Sound.
Das Mitreißende behalten Under Byen – zurzeit als Quintett – bei. Ist „Alt Er Tabt“ noch vornehmlich wie eine Industrial-Variante von ätherischem Folk, schrauben sie live die harten Komponenten etwas zurück. Vielleicht liegt es daran, dass hier weichere Streichinstrumente anstatt des Pianos Priorität im Konglomerat aus Schlagzeug, Bass und Gitarre haben. Den epischen Längen ihrer Tracks bleiben die Dänen treu. Sängerin Henriette Sennevaldt äthert wie eine verhuschte Björk, und sobald sie ihre Stimme durch Effektgeräte jagt, fügt sie sich nur umso mehr in den Bandsound ein. Die Musik schwappt wellengleich über die gesamte Albumlänge. Es gibt diese fast regungslosen Momente, die wie ein Verharren wirken, und dann die sich auftürmenden Geräuschberge, die wie Riesenwellen über den Hörer hereinbrechen. Die Strukturen sind dabei kaum bis niemals wie die von herkömmlichen Popsongs. Under Byen sind definitiv als experimentelle Band zu betrachten.
Der Nachteil ist, dass die Stücke etwas Uniformeres haben als auf den LPs. Zwar wechseln sich die Stimmungen ab, doch klingen sie jeweils sehr ähnlich, sodass man glaubt, einige Passagen bereits auf der A-Seite gehört zu haben. Dabei mag der Eindruck entstehen, dass Under Byen (gegründet 1995 in Århus, aktiv in Kopenhagen) eine nicht sonderlich kreative Band sei; doch ist der Eindruck grundfalsch. Vielleicht fehlt auf „Protokol“ das Bild zur Performance, vielleicht das sinnliche Erlebnis, sich inmitten des Publikums zu befinden und die Musik direkt um den Kopf und das Herz gespült zu bekommen. Sich er ist indes, dass „Siamesisk“ das bessere Live-Dokument ist. Schlecht ist es nicht; man braucht auf jeden Fall Ruhe und sollte die LP laut drehen. Aufgenommen übrigens in der Baunehøj Efterskole in Jægerpris, Dänmark, und im Carré de la Republique in Nuit Blanche, Amiens, Frankreich, im September und Oktober 2012, das Cover und das gesamte Artwork stammen von der I Do Art Agency.
Die Tracklist:
01 Film Og Omvendt (von Samme Stof Som Stof, 2006)
02 Plantage (von Det Er Mig Der Holder Træerne Sammen, 2002)
03 8 (von Alt Er Tabt, 2010)
04 Alt Er Tabt (von Alt Er Tabt)
05 Ikke Latteren, Men Øjeblikket Lige Efter (von Alt Er Tabt)
06 Unoder (von Alt Er Tabt)
07 Er Noget Smukt Glemt Findes Det Muligvis Endnu (von Alt Er Tabt)