Von Matthias Bosenick (27.01.2021)
Diese CD stellt in überraschend vielen Aspekten eine, nun, Überraschung dar: Bei „Ralf Rabinski … geht zu Fuß“ handelt es sich um ein Kinderhörspiel, veröffentlicht auf dem Gruftmucke-Label Dryland Records und eingesprochen von unter anderem Oswald Henke von Goethes Erben sowie dem früheren Wolfsheim-Sänger Peter Heppner. Erdacht ist die Geschichte von der Bremer Grafikdesignerin Ulrike Rank, die auch an diversen Dunkel-und-düster-Plattencovern beteiligt war. Mit nordischem Humor und einigem Einfallsreichtum erzählt das Stimmentrio – Rank ist selbst dabei – die kindgerechte und auch für Erwachsene lustige Geschichte vom Rabenjungen Ralf, der sich mit einer Hummel anfreundet und auf der Jagd nach Kirschen doch lieber spaziert als fliegt.
Sicher, Henke ist als Goethes-Erben-Rezitator vorrangig ein Theaterperformer, dennoch hätte man ihm diese schauspielerische Leistung hier nicht im gebotenen Umfang zugetraut – oder? Von Heppner ganz zu schweigen, dessen markant-charmante Stimme man singend in Ohr und Herz trägt, unter anderem auch als Duettpartner Henkes, nicht aber schauspielernd. Und dann übernehmen beide in diesem Hörspiel auch noch mehr als nur eine Rolle, und man muss in jeder davon sehr genau hinhören, um diese beiden Charakterstimmen überhaupt zu erkennen. Da ist man schon baff, bevor man noch in die knapp halbstündige Rabengeschichte richtig hineingezogen wurde.
In der durchbricht die Titelfigur Ralf die vertraute Eischale und sieht sich mit einer Welt konfrontiert, in der er sich zunächst nicht zurechtfindet. Der Vater hat keine Zeit, mit ihm zu spielen, und gleichzeitig hohe fliegerische Erwartungen an den Rabensohn. Der wiederum nicht fliegen möchte, sondern – der Titel verrät’s – lieber zu Fuß unterwegs ist. Er freundet sich mit der Hummel Tülay an und fasst den Plan, für die Rabenfamilie beim Bauern einen vermeintlich vergessenen Korb voller Kirschen zu klauen, um sich Anerkennung als juveniler Fußgänger zu verschaffen. Natürlich hat der Bauer den Kirschkorb nicht vergessen und eine Fluchtaktion ist daher von Dringlichkeit. Am Ende sind alle zufrieden, ja: alle. Gekonnt.
Natürlich ist die Geschichte kindgerecht, das soll sie auch sein, ab drei Jahren empfohlen, doch über die eingestreuten Gags kann man auch als Herausgewachsener lachen. Sie kommen unerwartet und beinahe beiläufig, sind mal schlagfertig und beziehen sich mal auf Vorheriges. Der lässige nordische Tonfall vieler Figuren trägt das Übrige zu einer gutgelaunten Grundstimmung bei. Die Handlung schreitet in einem uneiligen, aber bestimmten Tempo voran, weder langweilend noch überfordernd. Kinder finden sich sicherlich in vielen Motivationen des kleinen Raben wieder; Langeweile kann eben eine Triebfeder für Kreativität sein, nicht nur da steckt Pädagogik drin, ist ja auch nicht unwichtig bei Kindergeschichten. Also für, nicht von.
Tatsächlich übernehmen Rank, Heppner und Henke sämtliche Rollen, und sie wirken nicht, als müssten sie sich verbiegen, um die Freude, die sie an den Aufnahmen hatten, auch in ihre Figuren einfließen zu lassen. In direkter Nachbarschaft zur misanthropischen Darreichungsform bei Goethes Erben kann man nur staunen, wie Henke hier ohne Scheu und Berührungsangst den gewitzten Rabenbengel gibt. Überhaupt ist es sehr erfreulich, dass die drei Sprechenden ihre Rollen nicht überdrehen, man verfällt nicht in Fremdscham wie bei anderen an Kinder gerichteten Produkten. Einzig, man darf „Ralf Rabinski“ auch nicht nicht mit Hörspielen von etwa Oliver Döring oder Volker Sassenberg vergleichen, dafür fehlt es etwas an akustischer Dynamik; das entspräche aber auch nicht dem, was man der eigentlichen Zielgruppe vorsetzen möchte. Ein besseres, weil kompakteres Skript als bei den neueren Drei Fragezeichen liegt der Geschichte allemal zugrunde.
Mit einem eigens und dazu noch schön gestalteten CD-Booklet bietet Rank zudem einen Vorteil gegenüber dem Download an. Und wenn man in diesem Booklet blättert, stolpert man außerdem über die Namen Jürgen Jansen und Axel Ermes, die die Aufnahmen begleiteten; beides versierte Musiker in der Gruftszene und wie Henke und Heppner in diesem Kontext eher nicht zu erwarten. Aber er steht ihnen allen gut, der kleine Rabe. Sieht mit der im Design versteckten „1“ wie der liebevoll erfolgte Anfang einer Reihe aus. Für mehr als 2 indes müsste Ralf noch weiterzählen lernen.