Von Matthias Bosenick (25.02.2024)
Das kann man gar nicht anders als süß finden – und gehaltvoll: Eigentlich erzählt Ulrike Rank mit den Hörspielen um das flugunfähige Rabenküken Ralf Rabinski ja nette Tiergeschichten für Kinder zwischen Kita und Grundschule, aber ihr gelingt das Kunststück, Haltung, Moral und Werte einzubauen, ohne dafür einen erhobenen oder sonstwie aktiven Zeigefinger anwenden zu müssen. Psychologisch geschickt und erzählerisch ansprechend berichtet sie in der fünften Ausgabe „… und das verknickte Vergissmeinnicht“ von der Suche des versehentlichen Streuners nach einem Geburtstagsgeschenk für seine beste Freundin. Weil die Produktionskosten für Tonträger mittlerweile von solchen kleinen Produktionsteams nicht mehr zu stemmen sind, gibt’s Booklet und Hörspiel dieses Mal vertauscht: Die Audiodatei mit Gruftgrößen wie Oswald Henke und Sonja Kraushofer gibt’s als Download zu einem großen Buch. Ein akzeptabler Tausch.
Die beste Freundin des Raben Ralf ist eine Biene mit dem Namen Tülay. Da geht’s schon los: Die Biene trägt einen türkischen Namen, und es ist nie Thema, sondern einfach hinzunehmen. So geht das. Sie liebt Vergissmeinnicht, weiß Ralf, und auch, wo er zu bestimmten Bedingungen welches bekommt, nämlich bei Bauer Borchers, der diese Blumen auf dem Wochenmarkt im Nachbardorf zu verkaufen pflegt. Dummerweise verpasst Ralf den Absprung aus dem Blumenkorb und findet sich im für einen zu Fuß gehenden Miniraben sehr weit entfernten Dorf wieder, wo ihn eine Kundin für eine Ratte hält und er flüchten muss. Und zwar in die Arme einer echten Ratte, die ihm mit ihrer Sippe zur Seite steht. Bevor sie die Rückfahrt für den Raben organisieren, retten sie noch einen fremdsprachlichen Hahn vor dem Verspeistwerden.
Mit Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen aufräumen ist das, was hier nebenbei passiert. Ralf hat zunächst Angst, die Ratte könnte ihn beißen, und überlegt, dass er ja noch nie eine Ratte zu sehen bekam, geschweige denn, dass er jemanden kennt, der eine Ratte kennt. Er erinnert sich, dass jemand meinte, Ratten seien gut im Organisieren von Gruppenausflügen, und also überwindet Ralf seine Furcht, schließt sich der Ratte an und macht natürlich nur positive Erfahrungen. Als nächstes retten die Ratten den weißen Hahn, der ja so unverständlich spricht, was Ralfs Hühnerbekannte, die Frau Hahnenberg, später damit erklärt, dass es sich bei ihm um einen Japaner handelt, und sich mit ihm auf Japanisch unterhält.
Das ist alles verdammt niedlich und vorschulgerecht. Fraglich ist höchstens, ob sich zwischen Textmenge und Textschwere nicht eine Schere auftut; wer so alt ist, dass er alles selbst verschlingt, mag es vielleicht etwas zu kindlich finden. Aber wer so alt ist, dass er Kinder im fraglichen Alter hat, findet daran hingegen leicht gefallen. Auch die Illustrationen sind interessant: Zum Teil wirken sie wie nachbearbeitete Fotografien, an mancher Stelle wie KI-generiert, wenn Elemente in einer Ebene von unterschiedlicher Schärfe sind etwa. Zarte Seelen könnten sie unter Umständen gruselig finden; sie entsprechen eben nicht dem gängigen Quietschbunt.
Zum fünften Mal verpflichtete Rank ein Ensemble aus Gruftgrößen für die Hörspielumsetzung: Oswald Henke von Goethes Erben, Sonja Kraushofer von L’Âme Immortelle, Axel Ermes von Girls Under Glass und The Cassandra Complex, Holly Loose von Letzte Instanz und Gruft-Schriftsteller Christian von Aster teilen sich die Figuren mehrfach besetzt untereinander auf, Ulrike Rank selbst übernimmt ebenfalls einige Sprechrollen. Keine Angst, das Gruftige schimmert nicht durch, das ist schon alles kindgerecht und auch für Erwachsene unterhaltsam, insbesondere mit dem nordischen Schnack, den manche Figuren verbreiten. Natürlich darf man hier nicht die Action wie bei Contendo Media, Volker Sassenberg oder Oliver Döring erwarten, denn Ralfs Geschichten sind angemessen umgesetzt. Und eigentlich viel zu kleine Kleinode, die mehr Aufmerksamkeit verdienen.