Von Matthias Bosenick (15.10.2024)
Sonne und Entspannung aus den Sechzigern verspricht das Kölner Psychedelik-Trio Traum auf seiner selbstbetitelten 12“, der erst zweiten Veröffentlichung dieser Band überhaupt. Vier harmonische Songs, durch die die Sonne von Haight-Ashbury und Britische Harmonien strömen. Keine Modernismen, sehr authentisch, da haben die jungen Leute die Plattenkisten ihrer Mamas & Papas geplündert und sehr gut hingehört. Eine leichte Weh- oder Schwermut schwingt unüberhörbar mit, das erdet diese Retrolieder.
Die A-Seite beginnt mit „Shoeshine“, einem Song mit Sägefuzzgitarre wie bei Ingfried Hoffmann, mit Harmonien wie bei den Stone Roses ganz zu Anfang, also wie bei den Beatles, oder gleich bei den ganzen US-Vertretern der Sechziger, die an der Westküste bewusstseinserweiternde Substanzen in die gleißende Sonne rauchten; Lysergsäure könnte durchaus ebenso im Spiel gewesen sein. Der Takt auf der Snare, man kann entspannt tanzen. Etwas innerlicher fällt bei beinahe unmerkbarer Uptempo-Beschleunigung „Tuesday’s Lover“ aus, das sehr nach Sixties-Pop klingt, gefühlt nur zwei Akkorde, dazu Jangle, alles dezent gespielt, nur der mehrstimmige Gesang und das shakende Schlagzeug rücken leicht in den Vordergrund.
„Electric Blue“ auf der B-Seite ist die psychedelisch twangende Ballade, die ihre wahre Schönheit mittendrin offenbart, wenn die Gitarre kurzzeitig leichte Solomelodien erklingen lässt und das dazu ein Chorgesang ertönt. Der Rauswerfer „Illusion“ swingt zunächst und kehrt dann zu den Stone Roses zurück, um bald das Tempo etwas anzuziehen, aber abermals schier unmerkbar, wie beiläufig, unaufdringlich, in Spielereien mündend; das Stück ist das vielseitigste dieser EP.
Alle vier Stücke eint, dass das Trio beim Musizieren sehr zurückhaltend agiert und sich die Musik dadurch paradoxerweise besser entfaltet, und dass der Gesang ebenso zurückhaltend, aber harmonisch mehrstimmig dargeboten kommt. Das Ganze ist so perfekt, sowohl, was die Produktion und Darbietung an sich betrifft, als auch die historisch korrekte Anmutung. Die Kopie ist perfekt, und darin kann auch eine Schwäche liegen: Die Originale gibt’s schließlich bereits, aber nun, die Jugend braucht wohl 2024 etwas Eigenes, um den Geist von 1967 nachzuspüren, den Summer Of Love, die Hippiekultur, den Eskapismus in Zeiten von Krisen.
Das Trio Traum besteht aus Songwriter (nicht –in) Helen Lichter, der auch Gitarre und Gesang übernimmt, Schlagzeuger und Mitsänger Christoph Guschlbauer (unter anderem bei Kent Coda und Velochrome) sowie einem möglicherweise im Klarnamen als A.C. abgekürzten Bassisten namens Thereyoughost oder ThereYouGhost oder thereyoughost!, je nach Veröffentlichung. Eine solche gab es vor „Traum“ von Traum bereits, und zwar die 7“ „Hold The Line“, erschienen Anfang des Jahres bei Hypnotic Bridge in Los Angeles.