The Waterboys – Life, Death And Dennis Hopper – Sun Label Group, LLC 2025

Von Guido Dörheide (05.04.2025)

Sie sind ein Unikum, die Waterboys: 1983 auf dem selbstbetitelten Debüt-Album mit wunderbarem Folk-Rock gestartet, haben sie mit dem mit einem überaus ikonischen Cover versehenen sophomoren Zweitlingswerk „A Pagan Place“ das Musikgenre „The Big Music“ begründet und mit dem darauf folgenden „This Is The Sea“ perfektioniert, um dann auf ihrem wie ich finde apseluten Meisterwerk „Fisherman’s Blues“ den Celtic Folk aus der Taufe zu heben. Seitdem hat Mike Scott Narrenfeiheit und kann machen, was er will. Was er auch glücklicherweise alle ein bis drei Jahre tatsächlich tut. Heuer beschenkt er all diejenigen, die es hören wollen, mit einem rund einstündigen, 25 Stücke enthaltenden Konzeptalbum zum Thema „Das Leben, Dennis Hopper und der ganze Rest“.

Und bereits auf dem ersten Stück macht Scott deutlich, dass das hier kein langer dunkler Fünfuhrtee der Easy-Rider-Nostalgie werden wird, sondern eine Begegnung mit der Seele des Dennis Hopper und allem, was diese repräsentiert. Für Scott repräsentiert Hopper nichts anderes als die Popkultur der letzten 70 Jahre, und genau diese pfropft er in diese Wundertüte von einem Album hinein, mit einer kleinen Hilfe einer illustren Schar von Co-Musikern wie Steve Earle, Bruce Springsteen, Fiona Apple und einigen wenigen mehr.

Scott (liebe Lesenden, diejenigen, die meine Rezension über „All Souls Hill“ (2022) gelesen haben, wissen, dass ich die The Waterboys weitestgehend mit Mike Scott gleichsetze) erzählt auf dem vorliegenden Tonträger nicht die Hoppers Lebensgeschichte, das wäre für einen Mike Scott in all seiner Mikescottness zu abgeschmackt, nein, er beleuchtet hier was und da was, erzeugt mannigfache Stimmungen und lässt die Hörenden eintauchen in das Leben, das Schaffen und alles Drumherum im Leben und Schaffen von Dennis Hopper.

Und dieses beginnt in Kansas, denn dort, in Dodge City, wird Dennis Hopper im Jahr 1936 geboren. Mike Scott tritt gleich beim ersten Song, der treffenderweise „Kansas“ heißt, in die zweite Reihe zurück und überlässt einem wahrhaft großen zeitgenössischen Songwriter das Mikro, nämlich niemand Geringerem als Steve Earle. Und der lässt in kurzen, aber hängenbleibenden 2:14 Minuten die Anfänge Hoppers Paroli laufen, singt in seinem wundervollen heiser gemurmelten Steve-Earle-Stil und schafft es, gleich zu Anfang des Albums eine Kindheit in Kansas mit dem Ende von „Easy Rider“, Hoppers erster Regiearbeit, zu verknüpfen: „Some day I’m on the blow, Kansas, some day I’m on the blow.“ Ich denke, nicht nur ich muss hier an „You know, Billy, we blew it“ denken, und am Ende von Easy Rider sind alle tot. You’ll never get out of this world alive.

Dann übernimmt Scott und erinnert auf „Hollywood ‘55“ an Hoppers Anfänge in der Filmstadt, mit „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Der Song swingt mit Kontrabass und Bläsern und Scotts toll gealterte, leicht angerauhte Stimme passt wunderbar dazu. Stimmung, Baby. Anschließend wird es auch musikalisch rauh: Ein Schrei, eine Orgel, treibendes Schlagzeug und lässig schrammelnde Gitarre, dazu singt Mike Scott über James Dean, das ist „Live In The Moment, Baby“. Dann ertönt streicherlastige Filmmusik („Brooke / 1712 North Crescent Heights“, ein Instrumental-Interlude), dann klingt es auf „Andy (A Guy Like You)“ sehr sixties-mäßig relaxed, auch das folgende „The Tourist“ ist sehr in den 60ern verhaftet, klingt aber völlig anders, Beat trifft Americana irgendwie, Scotts Stimme fasziniert, das Album ändert von Song zu Song den Stil und dennoch passt alles wunderbar zueinander.

„Hopper’s On Top (Genius)“ markiert den nächsten Höhepunkt auf „Life, Death And Dennis Hopper“, der Song perlt (er perlt tatsächlich) auf swingender Gitarre und lockerem Klavier dahin und Mike Scott erzählt heiser-begeistert vom Genie Dennis Hoppers auf seinem kreativen Höhepunkt. Auf den nächsten Songs spinnt Scott die Hopper-Story weiter, wechselt munter die Stilrichtungen von Americana bis Dschingis Khan („Freakout At The Mud Palace“, keine Angst, er zeugte keine sieben Kinder in nur einer Nacht und man hört ihn auch nicht lachen), und mit „Ten Years Gone“ erreichen wir einen weiteren Höhepunkt: Der Song rockt, klingt auf der einen Seite superrelaxt und auf der anderen spannungsgeladen, und wenn man denkt, gleich springen irgendwelche Vampire auf den Tisch, greift sich der wohl berühmteste Einwohner New Jerseys das Mikro (neien, nicht John Bon Jovi) und zeigt Mike Scott, wie sich eine gut gealterte, rauh gewordene Stimme anhören muss. Bruce Springsteen und Mike Scott röcheln um die Wette, what a time to be alive!

Und als ob man das nicht mehr toppen könnte (jahaa – hihi – Mike Scott kann selbst DAS noch toppen), fährt Mike Scott danach die absolut unübertreffbare Geheimwaffe des Klaviers und Gesangs auf: Fiona Apple. Und Mike Scott tut gut daran, hier keine The Big Music aufzufahren, sondern Ms Apple an wundervoll hallendem Klavier und Mikrofon alle Freiheiten zu lassen, die sie braucht, um unter Beweis zu stellen, dass wir es hier mit einer der mitreißendsten Künstlerinnen der letzten Jahrzehnte zu tun haben: Auf „Letter From An Unknown Girlfriend“ singt sie leidenschaftlich und bedrohlich, schreit bisweilen und zeigt aufs Neue, dass man oft nicht mehr als ein einziges Instrument benötigt, um maximale Wirkung zu erzielen.

Anscheinend, um nicht zu Folk- oder Americana- oder Irgendein-anderes-Genre-für-Woodstock-Fans-lastig zu werden, haut Mike Scott dann auf „Frank (Let’s Fuck)“ nochmal so richtig auf die Zwölf und legt stolz in die Worte „Let’s fuck“, „You fucking fuck!“ und „Fuck you fucking Fucker!“ Pubertät revisited, und das mit toller Musik.

Der Rest des Albums besteht aus tollen Melodien, Sprachsamples über das Leben und Wirken Hoppers, einem großartigen Folksong („Golf, They Say“) mit Mike Scotts großartiger Stimme und zwei Klangcollagen über Hoppers Beerdigung und seine Nachwirkung. Und dann ist eine bewegende, mitreißende und musikalisch großartige Stunde auch schon wieder rum.

Danke, Mike Scott, für ein wunderbares Album über das Leben, den Tod, Dennis Hopper und den ganzen Rest.