Von Matthias Bosenick (27.11.2018)
Vielleicht sollte man für eine dritte Staffel der international produzierten Krimi-Serie „The Team“ nicht nur die Schauspieler, sondern auch die Showrunner austauschen. Die Idee ist lobenswert: In Zeiten von Brexit, Nationalismus und Ausgrenzung die Stärken europäischer Zusammenschlüsse vermittels eines Krimis herausarbeiten. Wie in der ersten Staffel arbeiten – dieses Mal aber andere – Ermittler aus Deutschland, Belgien und Dänemark an einem Fall, der alle drei (und noch weitere) Länder betrifft; es geht natürlich um Flüchtlinge, Nazis und Terrorismus. Auf der Positivseite überzeugen manche interessante Figuren und aufgebrochene Rollenklischees, die andere Waagschale ziehen das schlechte Drehbuch und die gekünstelten Dialoge herunter. Dabei ist die Idee doch eigentlich gut.
Was beschäftigt ganz Europa dieser Tage? Richtig: die Flüchtlingskrise, und mit ihr der wachsende Anteil Rechtsradikaler und muslimischer Terroristen sowie die jeweils geschürte Angst vor beiden. Damit ist „The Team II“ inhaltlich auf der Höhe der Zeit, und vielleicht ist es genau das, was sich die Autoren so verheben lässt: Auf genau dieser Thematik liegt alles Augenmerk, man will alles so korrekt und umfassend wie möglich darstellen, also in allen Aspekten, guten wie schlechten. Dabei bleibt viel auf der Strecke, was Stringenz, Spannung, Konsequenz betrifft. Heißt auf der einen Seite, dass man keiner politischen Seite Futter geben will, um deren Position zu untermauern, und andererseits, dass sich die Geschichte damit zerfasert. Man hätte also doch besser ein anderes Thema gewählt. Oder andere Autoren.
Auf einer Farm im Marschland Süddänemarks kommt ein syrisches Paar unter, das seine Schiffspassage nach England verpasst hat. Dummerweise schießt ein zunächst verhüllter Mensch sämtliche Bewohner dieser Farm noch in jener Nacht ab, bis auf Malu, die fliehen kann, und den deutschen Besitzer, der nicht vor Ort war. Da sich unter den Opfern eine syrische Informantin der belgischen Polizei befand, stehen damit die drei an der Ermittlung beteiligten europäischen Länder fest. Syrien bleibt zunächst außen vor.
Hier versuchen die Autoren nun zusätzlich, den Ermittlern nach skandinavischem und somit seit Jahren allgemein üblichem Vorbild ein Privatleben anzudichten. Gregor aus Hamburg (Jürgen Vogel) ist ein liierter Schwerenöter mit üppigem Familienanhang, Nelly aus Kopenhagen (Marie Bach Hansen) eine traumatisierte Rabenmutter und Paula aus Brüssel (Lynn van Royen) ein computernerdiges Mauerblümchen mit Karriereambitionen und Ökofreund. Dabei bleibt es zumeist auch: Sind die Figuren erst eingeführt, treten diese Eigenschaften auch schon in den Hintergrund. Erst gegen Ende gewinnen sie wieder an Relevanz, nur Paulas grüner Gatte bleibt unsichtbar. Überzeugend sind sie alle nicht: Gregor wirkt wie ein Knacki, der bei der Polizei ein Praktikum macht, und Paula wie ein Schulmädchen, das rund um die Uhr Überwachungsvideos schauen darf. Nur Nelly nimmt man die toughe Polizistin ab, weniger hingegen die überforderte Mutter – sie ist einfach keine Saga Norén.
Schlimm sind die Dialoge, die streckenweise wirken wie dem Handbuch „Krimiplots für Dummies“ entnommen. Nicht nur, dass sie Redundantes erklären, sie tun dies auch noch in einer Art, in der Laienschauspieler ihre Textbeiträge ablesen. Einzig überzeugend sind die arabischen Darsteller, allen voran Malu und ihre Mutter Mariam, gespielt von Sarah Perles und Fatima Adoum. Auch Navid Negahban als Said transportiert die komplexe Mixtur aus krimineller Getriebenheit und der emotionalen Verbindung zu seiner Familie bemerkenswert – in entsprechenden Sequenzen erscheint er als einnehmend und sympathisch.
Der Verdacht der Ermittler fällt in dem kleinen süddänischen Ort Højer sofort auf den ortsansässigen Nazi, der zwar tatsächlich einiges auf dem Kerbholz hat, aber den Massenmord nun auch wieder nicht. Wie es das Drehbuch will, kommt die fliehende Malu ausgerechnet bei dessen Freundin unter – nicht die erste erzählerische Faulheit der Autoren. Der eigentliche Täter ist dem Zuschauer bald bekannt: Ein Syrer, der auf Birdspotter macht und Leute abmurkst, um an einen Kunstschatz zu geraten, den Malu und ihr Freund nach England zu retten versuchten. Hinter diesem „Garden Of Ishtar“ sind aber auch Hehler und Sammler aus Österreich her, für die der Mörder arbeitet. Und mit diesen Deals finanziert sich der IS, der hier CU heißt, Caliphate Union, weil man sich wohl nicht traute, Klartext zu reden. Damit hat man das Motiv und den Täter schnell ausgemacht – und die Spannung liegt nicht mehr im Ermitteln oder darin, komplexe Zusammenhänge und Aha-Momente herauszufinden und damit den Zuschauer zu überraschen. Nazis und Terroristen gehören ohnehin zur einfachsten Bösen-Kategorie, weil ihre Bedrohung immanent ist. Die muss man dann nicht mehr mühsam erzählerisch herausarbeiten, sondern kann sich einfach auf die Unberechenbarkeit der jeweiligen Vertreter verlassen. Das ist allerdings für den Zuschauer öde, insbesondere, wenn die Bedrohenden wie hier stets das Nachsehen haben, von ihnen also keine nachfühlbare Lebensgefahr ausgeht.
Zumal auch die Ermittler eigentlich kaum arbeiten. Paula darf die ganze Zeit Satellitenfilme aus der syrischen Wüste auswerten, die so hochauflösend sind, dass sie in Brüssel oder Wien nicht mehr funktionieren, weshalb dort die alte polizeiliche Observierung aus dem Haus gegenüber erfolgen muss. Überall kommen dem Trio Drehbuchzufälle zu Hilfe, wenn es gerade hakt, oder Gregor wird einfach mal unrechtsstaatlich zum Gefangenenschläger. Viele der begonnenen Handlungsfäden laufen in kuriose Sackgassen, die die letzte Episode gottlob teilweise auflöst, aber nur in der Rückschau. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Hehler und ein Killer die mutmaßliche Leiche eines Terroristen im Garten liegen lassen und sich mit einem Sammler treffen, anstatt sich vom Tod des Angeschossenen zu überzeugen. So richtig an alle losen Enden kann man sich gar nicht mehr erinnern, weil die Autoren so viele Irrwege auftun, die schon nach dem nächsten Schnitt bedeutungslos werden.
Umschifft man die Untiefen, stellt man indes fest, dass die Rollen ungewöhnlich verteilt sind. Zwar trägt Paula den Nimbus des kleinen Mädchens, kann sich aber körperlich dem Killer entgegenstellen. Auch Nelly agiert insbesondere in Actionszenen zuvorderst als versiertes Polizeiorgan; eine Geschlechterdefinition steht hier gar nicht zur Debatte, ganz selbstverständlich sind die drei Ermittler nicht ausschließlich männlich und ist der Mann im Team nicht ausschließlich cool (die Sexszene war überdies überflüssig). Schön anzusehen sind die Landschaftsaufnahmen aus Dänemark; da sieht es wirklich so aus: öde, aber heimelig. Und eine bemerkenswerte Merkwürdigkeit gönnen sich die Autoren: Als der vermeintliche Vogelkundler in seine Pension zurückkehrt, erzählt der Wirt etwas von Staren, die auch mal den Raubvogel kriegen, indem sie in vollkoten, und kurz darauf entdeckt der skeptische Said einen vollgekoteten Raubvogel im Gras.
Was mit dem achten Abspann haften bleibt, ist die Zuneigung zu Malu und Mariam sowie das Mitfiebern mit deren Schicksal. Sie wachsen einem ans Herz und sind es wert, sich diesen Krimi anzusehen. Übrigens sollte man sich die Serie wie schon beim ersten Mal im Original geben: Die Vielsprachigkeit ist ein großes Plus von „The Team“, im Synchron geht viel Atmosphäre verloren. Insbesondere die Wechsel zwischen Muttersprache und allgemeinverständlichem Englisch kommen sonst nicht zur Wirkung. Und Sprache ist einer von vielen Aspekten, die Europa so angenehm vielfältig machen.